Komm mit mir ins Chambre separée
GRAZ / OPER
05/06/20 Eine vielversprechende, gut gemeinte Einladung wird da in Richard Heubergers Operette „Der Opernball“ ausgesprochen – bleibt aber vorerst Wunschdenken. Mit der Traumfrau fürs Chambre separée lebt man ja eher selten im gleichen Haushalt.
Von Reinhard Kriechbaum
Da hieß es also am Donnerstag (4.6.) im Grazer Opernhaus Abstand halten für Sieglinde Feldhofer (Sopran) und Ivan Oreščanin (Bariton). Wahrscheinlich, ja gewiss sogar haben sich die beiden hinter der Bühne dann in verschiedene Chambre separées zurückgezogen.
Was aber wohl geht: Chambre separée für exakt hundert Leute. In der Grazer Oper ist als erstem Opernhaus in Österreich am Donnerstag wieder Musik erklungen. Musenkuss ist ein nettes Arien- und Lied-Wunschkonzert, zu dem viele aus dem Ensemble beigetragen haben. Die Intendantin Nora Schmid hat als Moderatorin Brücken geschlagen vom neobarocken Fresken- und Skulpturenschmuck im Zuschauerraum zur Musik. Kein schlechter Trick, die Blicke von den vielen freien Sitzplätzen weg zu lenken auf Apoll, dessen Mythos im Gewölbe über der Galerie in Reliefs dargestellt ist. Auch die Fresken im Proszeniumsbereich (Lohengrins Erscheinen, Faust und Gretchen, Wilhelm Tell) bieten musikalische Anknüpfungspunkte. Ah ja, die riesigen Engelspaare über den Proszeniumslogen – auch noch nie aufgefallen, ebenso wenig wie die Komponisten- und Dichterprorträts über den Türlünetten der Galerie. Die Scheinwerfer leuchteten also Bereiche aus im Musentempel, die man sonst eher nebenher wahrnimmt.
Der Anlass passt nicht für eine Musikkritik, die sehr gut für alle Beteiligten ausfiele, inklusive der drei Korrepetitoren an ebenso vielen Klavieren (keine Desinfektion nötig) und einer Harfenistin. Die Laune im Publikum: keine Spur von Grabesstimmung, obwohl nur jeder zwölfte Platz im Riesenhaus besetzt war. Das war natürlich auch dem Wunschkonzert-Charakter geschuldet.
Und freilich: Man kommt ins Nachdenken darüber, ob überhaupt irgendwelche Verordnungen in Sachen Corona in der Kultur Sinn haben können. Einhundert Besucher, mehr dürfen es derzeit nicht sein. Das Grazer Opernhaus hat 1200 Plätze. Füllte man da mit Babyelefanten auf, brauchte man sich um die Population der Rüsseltiere auf Jahrzehnte hin keine Sorgen zu machen. Fürs Publikum gibt’s einen „Kleinen Leitfaden“ im Postkartenformat. Mundschutz auf dem Weg zum Sitzplatz, eh klar, keine Pause und ergo auch kein Pausenbuffet. Den Schirm stellt man eigenhändig in der Garderobe ab. „Die Toiletten sind unter Einhaltung der Abstandsregeln in den Vorräumen benutzbar.“ Man freut sich heutzutage auch über kleine Öffnungen.