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Lieder zweier Jahresregenten

REST DER WELT / STYRIARTE / LIEDERABENDE

08/07/10 Gute Sängerinnen und Sänger scharenweise. An aufeinander folgenden Tagen waren in Graz das "Italienische Liederbuch", zwei rare Liedzyklen von Schumann und Brahms' Liebeslieder-Walzer zu hören.



Von Reinhard Kriechbaum

Wie lohnend ist es, in Schumanns Gesamtausgabe über die ersten beiden Liedbände hinaus zu blättern? Sieben Bände wären es ja insgesamt. Zwei Raritäten hat man mit erlauchter Sängerschar – Ruth Ziesak, Anke Vordung, Werner Güra, Konrad Jarnot – am Mittwoch bei der Styriarte in Graz vorgestellt. Das "Spanische Liederspiel", op. 74, vereint Sololieder, Duos und Quartette. Ein Nachdenken über Liebe, ein Schwärmen und Träumen ohne Erfüllung: Romantischer Geist pur. Eigenwillig die musikalische Faktur, denn da gibt es Gesänge mit einfältigster Melodik und – pardon, lieber Jahresregent! – schon recht unendlichen, nervigen Terzen- und Sextenketten. Aber eben auch kompositorisch raffiniertere Gebilde, die über die recht schlicht gestrickten Texte (Emanuel Geibel nach spanischen Gedichten) weit hinausweisen und Eintrübung, Hintersinn bereithalten.

Eines zeigte dieser Abend, vor allem im direkten Vergleich mit den Liebeslieder-Walzern op. 52 von Brahms: Schumann hat das "Spanische Liederspiel" fürs häusliche Musizieren geschaffen. Es ist ausgesprochene Do-it-yourself-Musik, die den Transfer aufs Podium, noch dazu in die riesige Grazer Helmut-List-Halle, nur sehr bedingt verträgt. Auch bei gediegener Interpretation bleibt da Uneingelöstes.

Ein weiterer so gut wie unberkannter Zyklus von Schumann: die "Spanischen Liebeslieder" op. 138. Sie verlangen eine vierhändige Klavierbegleitung, und dafür waren Christoph Berner und Camillo Radicke ein feinsinniges Duo. Auch für diese Reihe von Sololiedern, Duos und einem Quartett gilt: lohnend, aber eben besser aufgehoben im einstigen bürgerlichen Musiksalon; irgendwie aus der Zeit gefallen. Man fühlte ein Aufatmen, als die Schumann'sche Durststrecke absolviert war und man bei Brahms landete.

Für Styriarte-Verhaltnisse auffallend mager besucht war tags zuvor ein Liederabend mit Julia Kleiter und Christoph Prégardien: Man hörte das "Italienische Liederbuch" dafür in einer Referenz-Interpretation, die glücklicherweise aufgezeichnet wurde (zu hören am Montag, 12. Juli, 10.05, Ö1). Außerdem haben Julia Kleiter und Christoph Prégardien das "Italienische Liederbuch" auf CD aufgenommen (sie wird im Herbst bei Challenge Classics veröffentlicht).

Warum eigentlich ist Wolf sosehr in Ungnade gefallen in der Gunst der Zuhörer und der Veranstalter? Der deutsche Pianist Hilko Dumno hat die impressionistische Farbpalette mit sagenhafter Feinheit aufgedröselt und sich im Zweifelsfall immer für die sanfte Malerei und gegen vordergründige Ironie entschieden. Hugo Wolfs fein geknüpften harmonische Teppich ist diesem weit aus der Rolle bloß eines Begleiters heraustretenden Pianisten ein Angebot zum Kolorieren.

Man konnte das Programmheft mit den Liedtexten an diesem Abend getrost zur Seite legen. Da war jedes Wort verständlich, und es war Stück um Stück eine Freude zu beobachten, wie unprätentiös auch die beiden Sänger an die Sache herangegangen sind. Auch kein falscher Pathos am Ende, wenn sich nach den Neckereien und ernsthafteren Disputen der Liebenden ja doch die heilige Eintracht einstellt.

Motto der "Styriarte" ist heuer "Heimat bist du". Eine interessante Parallele zu den Schumann'schen Spanien-Liedern vom Folgetag: Auch Hugo Wolf hat Lokalkolorit so gut wie ausgeblendet.

Die Styriarte dauert bis 25. Juli. - www.styriarte.com


 

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