Tummelfeld für Elfenklänge
STAATSOPER / BRITTEN / A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM
15/10/19 In Benjamin Brittens 1960 uraufgeführtem A Midsummer Night's Dream treiben Elfen zurzeit ihr Unwesen auf der Staatsopernbühne und verwirren Liebespaare und Handwerker. Das Publikum bringen sie damit zum Jubeln.
Von Oliver Schneider
Erst vor eineinhalb Jahren konnte man Brittens Shakespeare-Vertonung im Theater an der Wien erleben. Nach weit über fünfzigjähriger Pause ist das Werk auch in die Staatsoper zurückgekehrt und verzaubert in dieser Saison Jung und Alt. Während Damiano Michieletto 2018 den Elfenspuk in eine Schule verlegt und tiefer an der Oberfläche des vielschichtigen Werks gekratzt hat, bleibt hier Irina Brook in ihrer zeitlosen Deutung ganz in der Märchen- und Traumwelt verhaftet und beschränkt sich auf den komödiantischen Strang von Brittens Oper. Dabei kann sie aus ihrem großen Shakespeare-Sommernachts-Erfahrungsfundus schöpfen, ist sie doch mit der Regie ihres Vaters, Peter Brook, groß geworden und hat das Werk außerdem bereits zweimal selbst inszeniert.
Ein von Bühnenbildnerin Noëlle Ginefri-Corbel geschaffener verfallener Palast, von dem die Natur schon wieder Besitz ergriffen hat, ist das ideale Tummelfeld für das nachtaktive Elfenvolk mit seinen Lampions. Hier rächt sich der eifersüchtige Oberon an seiner Gattin Tytania, die sich eines (menschlichen) Waisenkindes angenommen hat, wobei sie sich zur Strafe in einen Esel verlieben muss. Und hier verirrt sich das aus Athen geflüchtete Liebespaar Hermia und Lysander – von Magali Castellan in Schuluniformen gekleidet – und wird dank eines dummen Fehlers von Oberons Gehilfen Puck erst einmal auseinanderdividiert.
Da Brook den Irrwegen des menschlichen Miteinanders und den abgründigen Charakterseiten der Protagonisten bewusst nicht nachspürt, darf sich Théo Touvet auch nur als tollkühner, Rad schlagender, springender und tanzender Puck kaprizieren. Seine Schlauheit und Hinterlistigkeit gehen dabei unter, was vielleicht aber auch daran liegt, dass seine englische Diktion nicht optimal ist.
Keine Wünsche offen lässt die aus Ensemblemitgliedern und Gästen bestehende, mehrheitlich junge, spielfreudige Sängerriege. Lawrence Zazzo, der bereits sein Sängerdebüt als Oberon gegeben hat, verleiht dem Herrscher über das Elfenreich aristokratischen Glanz und überzeugt mit überirdischen Counterklängen. Erin Morley bezaubert als seine Gattin Tytania vor allem mit ihren leichten Koloraturen. Die beiden Liebespaare sind mit jungen und zentralen Ensemblemitgliedern homogen besetzt. Josh Lovell gefällt als Lysander mit seinem edel gefärbten lyrischen Tenor. Rachel Frenkel ist die von ihm geliebte Hermia, die genauso empfindsam wie leidenschaftlich-kämpferisch erscheinen kann. Rafael Fingerlos' Demetrius wirkt neben Lovell um einiges robuster, um den eine auch in diesem Repertoire mühelos reüssierende Valentina Naforniţă als selbstbewusste Helena zu kämpfen weiß.
Als Quince (der erfahrene Wolfgang Bankl) seinen Handwerkerkollegen die Theaterpläne zu Ehren von Theseus und Hippolytas Hochzeit vorstellt, prahlt Peter Rose als Bottom den Pümpel schwenkend, was er für ein Held im Schauspiel sein könnte. Gespielt wird aber Pyramus und Thisbe. Bottom übernimmt den Pyramus, für den er sich eines Klodeckels als Ritterrüstung behilft. Benjamin Hulett als Flute ziert sich zunächst, in die weibliche Rolle der Thisbe zu schlüpfen. Vor dem Herrscherpaar (nobel Peter Kellner als Theseus und Szilvia Vörös als Hippolyta) kann er dann aber munter aus sich herausgehen. William Thomas als Snug ist ein wenig furchterregender Löwe und Starvelings Mond, gestaltet von Clemens Unterreiner, leuchtet alles andere als hell am Theaterhimmel. Nicht nur die Hochzeitsgäste – nur Hippolyta scheint gelangweilt zu sein – fiebern um Thisbes Leben, auch das Staatsopernpublikum zeigt, dass es Spaß am abschließenden Theater im Theater hat.
Als profunde Werkkennerin lassen Simone Young sowie die Musikerinnen und Musiker die Klangwelten des Elfenvolks, der jungen Liebenden und der Handwerker mit den Feinheiten in der Instrumentierung und Melodik kongenial erklingen. Die zarten, lyrischen Linien der Elfenwelt haben es ihnen besonders angetan. In kleiner Besetzung begleiten sie die Protagonisten und den Kinderchor der Opernschule (Einstudierung: Johannes Mertl) insgesamt mit viel Liebe und Zurückhaltung. Hoffentlich verbleibt die Produktion im regelmäßigen Repertoire der Staatsoper.