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Tatemae und Honne

MUSEUMSQUARTIER / JAPAN UNLIMITED

04/10/19 Mit kleineren peinlichen Aussetzern dauern die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Japan nun 150 Jahre an. Im Rahmen der Ausstellung „Japan Unlimited“ werden im MuseumsQuartier berühmte Künstler Japans zu sehen sein, die sich mit den gesellschaftlichen Geboten „Tatemae“ und „Honne“ auseinandersetzen.

Zwei Begriffe prägen die den Verhaltenskodex der japanischen Gesellschaft: „Tatemae“ –„Maskerade“, die den Erwartungen der Öffentlichkeit entspricht – und „Honne“ – die der Öffentlichkeit gegenüber verborgenen Gefühle. Die Ausstellung „Japan Unlimited“ (laufend bis zum 24. November) sucht dieses duale Prinzip in der zeitgenössischen japanischen Kunst: „Tatemae“ und „Honne“ regeln das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Individuum, definieren das Zusammenleben über Gesetze, Traditionen und Konventionen. „Japan Unlimited“ zeigt die Auswirkungen dieses Spannungsverhältnisses aus gesellschaftlicher Konfliktvermeidung und Kritik.

So charterte etwa das Künstlerkollektiv „Chim↑Pom“ im Rahmen ihrer Kunstaktion Making the sky of Hiroshima ‘PIKA!‘ im Jahr 2008 ein kleines Flugzeug, um das Wort „Pika“ (Blitzlicht) mit Kondensstreifen über die Stadt Hiroshima zu zeichnen. „Pika“ wird in Japan auch für die Bezeichnung der Atombombenexplosion über Hiroshima benutzt. Die Kunstaktion führte zu heftigen Protesten, und trotz der ausgiebigen Entschuldigung seitens des Künstlerkollektivs wurde eine geplante Museumsausstellung abgesagt. Chim↑Pom macht damit „Tatemae“-Strukturen als Mechanismen indirekter Herrschaftsformen sichtbar. Das Künstlerkollektiv ist zudem mit einer weiteren Arbeit, Super Rat, in der Ausstellung vertreten.

Makoto Aida tritt in seiner Videoarbeit The video of a man calling himself Japan's Prime Minister making a speech at an international assembly als fiktiver japanischer Premierminister auf und hält in gebrochenem Englisch vor einer internationalen Versammlung eine Rede. Dabei visualisiert Makoto Aida das „Tatemae“ und „Honne“-Prinzip als politische Maskerade, die sowohl durch die Verkleidung als Politiker, als auch in der Reaktion darauf evident wird.

BuBu de la Madeleine & Yoshiko Shimada stellen in ihrer Collage aus der Serie Made in Occupied Japan ein Foto mit dem japanischen Kaiser Hirohito und dem amerikanischen General Douglas MacArthur nach. MacArthurs Stab arbeitete die ersten Entwürfe für die 1947 in Kraft getretene japanische Verfassung aus, in der der Status des Kaisers als „Gott“ aufgehoben wurde. Das Herz, welches das Foto umgibt, verweist die engen wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zwischen Japan und den USA, aber auch auf damit verbundene Abhängigkeiten, Machtverhältnisse, deren nachkriegsmythologischen Maskeraden bis heute wirksam sind.

Momoyo Torimitsus Animation Business as habitual basiert auf einer Fotografie, die bei einer Pressekonferenz nach der Atomkatastrophe von Fukushima aufgenommen wurde. Sie zeigt, wie sich die Verantwortlichen sich bei den Menschen in Japan entschuldigten. Momoyo Torimitsu interessiert die damit einhergehende Geste des Verbeugens, denn in Japan soll der Verbeugungswinkel sozialen Status widerspiegeln und Respekt darstellen. Die Geste sagt jedoch nichts drüber aus, ob Bedauern tatsächlich vorhanden ist. Die Machthaber brachten damals zwar ihr Bedauern öffentlich zum Ausdruck, verbargen aber Fakten und das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe. „Tatemae“ wurde also hier als moralische Marketingstrategie benutzt.

Der einzige österreichische Künstler in der Ausstellung, Edgar Honetschläger, geht in seiner Arbeit Warum ist es so schwer die Leere zu akzeptieren und dem damit korrespondierenden Ausschnitt aus seinem Filmessay L+R, der Frage nach, inwieweit der westliche Einfluss der Moderne Japan verändert – und wie Japan dabei dennoch Authentizität bewahrt.

Im Rahmen der Ausstellung werden sechs Artists-in-Residence aus Japan im Q21/MuseumsQuartier zu Gast sein, die für die Ausstellung zum Teil neue Arbeiten entwickeln und zu Veranstaltungen einladen. Vertiefend werden Gespräche, Workshops und Performances die Ausstellung begleiten. (MuseumsQuartier / dpk-jw)

Japan Unlimited - Austellung im MuseumsQuartier bis 24. November - www.mqw.at
Bilder: MuseumsQuartier

 

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