Jahrgang 1000 v. Chr.
NATIONALBIBLIOTHEK / PAPYRUSMUSEUM
09/07/19 „Und wirklich, ich wundere mich über Dich, denn ich habe 40 mit Siegel versehene Krüge Wein, der zu Essig wurde, gefunden“, schreibt der enttäuschte Yazīd vor mehr als 1000 Jahren an seinen Händler. Unter dem Titel „In vino veritas. Wein im alten Ägypten“ präsentiert das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek über 70 faszinierende, bis zu 3.000 Jahre alte Exponate zum Weinbau und Weingenuss.
Dass die Wahrheit im Wein liege, behauptet der frühgriechische Lyriker Alkaios, der um 600 v. Chr. für einige Jahre in Ägypten gelebt hat. Doch schon lange davor waren im Land am Nil der Genuss von Wein und der gezielte Anbau von Reben bekannt: Bildliche Darstellungen, Texte oder archäologische Funde belegen die Verwendung von Wein in der gesamten pharaonischen Zeit Ägyptens und in den Jahrhunderten, in denen Griechen und Römer über das Land herrschten. Wein war schon immer ein Getränk für Götter und Menschen. Im Zentrum der Ausstellung stehen Papyri der spätantiken Epoche mit vielen Details zur Weinkultur, doch spannt sich der zeitliche Bogen von der pharaonischen bis in die arabische Zeit. Pacht- und Kaufverträge gewähren einen Einblick in den Alltag von Winzern und Weinhändlern, Briefe dokumentieren die Bedeutung des Weins für die Verpflegung von Soldaten, Lorbeerwein oder Fischbrühe vermengt mit Wein entführen in die damaligen Ess- und Trinkgewohnheiten, und nicht zuletzt belegen farbenprächtige Zierstücke an Textilien die zentrale Rolle von Wein in der Alltagskultur und in der Religion: Das edle Getränk war ebenso wie heute ein wichtiges Wirtschaftsgut und Genussmittel und besaß zudem eine große religiöse und kultische Bedeutung. Grabmalereien mit Winzerszenen lassen vermuten, dass Rotwein in der Gunst der alten Ägypter höher stand als Weißwein, aber dies mag auch künstlerischen Konventionen entsprungen sein. Neben diesen Darstellungen und der Nennung als Opfergaben wurden in vielen Gräbern auch Reste von Wein sowie mitunter Weintrauben bzw. Rosinen gefunden. Eindeutig nachgewiesen ist der Beweggrund für die Malereien und Beigaben: Durch sie sollten die Verstorbenen auch im Jenseits jederzeit ihren Durst stillen können.
Im Zuge der Hellenisierung wurden Produktion und Konsum von Wein stark ausgebaut: Wein wurde zunehmend zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Mit den Feldzügen Alexanders des Großen kam zusätzlich die jahrhundertealte griechische Weinkultur nach Ägypten, technische Fortschritte im Anbau und der Weingenuss selbst etablierten sich dadurch in weiteren Bevölkerungsschichten. Wein fungierte nun häufig als beliebtes Zahlungsmittel. Ob Bauarbeiter, Handwerker, Händler oder städtischer Amtsträger – sie alle erhielten für ihre Leistungen mehr oder weniger edle Tropfen.
Das Traubenlesen und das Keltern sind körperlich anstrengende Arbeiten. Um den Arbeitskräften durch Vorgabe eines Rhythmus ihre beschwerlichen Tätigkeiten zu erleichtern und sie bei Laune zu halten, bediente man sich schon damals der Musik. Offenbar musste man die geeigneten Musiker rechtzeitig buchen, denn der in der Ausstellung gezeigte Arbeitsvertrag mit einem Flötenspieler wurde bereits ein halbes Jahr vor der Weinlese geschlossen. Eine Papyrusrolle zeigt daher den Arbeitsvertrag mit einem Flötenspieler zur Unterhaltung bei der Weinlese aus dem Jahr 321 n. Chr.: Der Musiker verpflichtet sich, bei der kommenden Weinlese die Kelterer und andere Erntearbeiter mit seinem Flötenspiel zu unterhalten und dies verlässlich bis zum Ende der Ernte zu tun. Ein Bild, das die Idylle als Wirklichkeit entlarvt, denn die Untermalung der Weinlese durch Musik sowie die Taktvorgabe für die Traubentreter durch einen Musikanten begegnen in zahlreichen antiken Darstellungen. (ÖNB / dpk-jw)