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Blutiges Renaissancedrama zu spätromantischer Musik

BREGENZER FESTSPIELE / BEATRICE CENCI

19/07/18 Die Bregenzer Festspiele zeigen Berthold Goldschmidts „Beatrice Cenci“ in einer Inszenierung von Johannes Erath im Festspielhaus erstmals in deutscher Sprache. Das Publikum bedankte sich bei allen Protagonisten mit herzlichem Schlussapplaus für eine Aufführung, die Festspiele aus dem Alltag heraushebt.

Von Oliver Schneider

Von den Nationalsozialisten verfolgt, gelang Berthold Goldschmidt 1935 die Flucht nach England, das bis zu seinem Tod 1996 seine neue Heimat blieb. Während er als Dirigent und Mahler-Kenner – er dirigierte die erste Aufführung von Mahlers Dritter in England – breite Anerkennung fand, galt sein in der Spätromantik andockendes, kompositorisches Schaffen bis in die 1980er Jahre als nicht mehr zeitgemäss. Goldschmidt komponierte „Beatrice Cenci“ bereits 1949/50, die Uraufführung fand aber erst 28 Jahre später konzertant in London statt. Die erste szenische Produktion in englischer Sprache erfolgte 1994 in Magdeburg.

Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Bernardo und ihrer Stiefmutter Lucrezia wird Beatrice von ihrem Vater, dem herrschsüchtigen und verdorbenen Renaissance-Grafen Cenci, zu Hause in Rom festgehalten und misshandelt. Als Ausweg erscheint den beiden Frauen nur die Ermordung des Vaters beziehungsweise Ehemanns. Wobei es Beatrice ist, die bei der Unternehmung die Regie führt. Auf die Gnade des Vatikans können die beiden Frauen für ihr Tun nicht hoffen, denn die Kirchenfürsten haben sich jahrelang für das Dulden der Ausschweifungen des Grafen bestechen lassen. Beatrice und Lucrezia büssen ihre Tat mit dem Tod, wobei dieser vor allem für Beatrice eine Erlösung darstellt. Goldschmidt greift für den Schluss der Oper auf sein 25 Jahre vorher komponiertes Requiem zurück, das der Prager Philharmonische Chor (Einstudierung: Lukáš Vasilek) eindringlich und versöhnlich intoniert.

Goldschmidt hat über weite Strecken einen lyrischen Ton gewählt, der das brutale Geschehen scheinbar konterkariert. Scheinbar, denn die Grausamkeit des Grafen und des Systems, mit dem Goldschmidt und der Librettist Martin Esslin an die zur Zeit der Uraufführung noch jüngste Geschichte erinnern, tritt dadurch viel plastischer hervor. Das Libretto basiert auf Percy Bysshe Shelleys Versdrama und einer Erzählung Stendhals.

Goldschmidt wollte explizit eine Belcantooper komponieren. Die Singstimmen werden deshalb nie vom Orchester zugedeckt und kommen auch in Bregenz unter der Leitung von Johannes Debus bestens zur Geltung. Nicht nur in den vielen monologisch-melodramatischen Momenten, sondern auch in den wenigen kurzen Arien und Ensembles. Die Wiener Symphoniker bestechen gerade in der Begleitung mit präzisem und akkuratem Spiel. In der Ouvertüre und in den instrumentalen Zwischenspielen hingegen entwirft Debus üppige Klangbilder, die die Bedrohung der Frauen durch den Grafen und das gesellschaftliche System in Noten ummünzen.

Katrin Connan hat für den Abend Tunnel- oder Portalräume geschaffen, die auf einfache Weise die Ausweglosigkeit der Frauen spiegeln. Überzeugend ist vor allem das Gefängnisbild im dritten Aufzug. Eine bis auf die Hinterbühne nicht endend wollende Wendeltreppe im Tunnel, von der aus der Kardinal Camillo und der schwächliche Bernardo (Christina Bock mit leichtem Mezzosopran) den Frauen die Ablehnung ihrer Gnadengesuche durch den Papst mitteilen. Camillo trägt den Papst als Puppe mit sich herum, denn er ist nur ein Spielball der Mächtigen im Vatikan und in Rom. Auch Beatrice hat eine Puppe, die sie mal liebkost, aber auch genauso malträtiert, wie sie von ihrem Vater misshandelt wird.

Ob es nötig ist, zu Beginn des dritten Akts Puccinis „Tosca“ aus einem knisternden Lautsprecher erklingen zu lassen, während des Kardinals Blicke auf dem Petersplatz ruhen, ist hingegen fraglich, nur weil Goldschmidt mit Puccinis Oeuvre gut vertraut war.

Regisseur Johannes Erath verortet das Geschehen nicht konkret, sondern spielt stattdessen mit der Überzeichnung. Grelle Kostüme der Protagonisten und der Festgesellschaft beim Grafen Cenci (Kostüme: Katharina Tasch) deuten nur im Schnitt die zeitliche Verortung an, dazu bewegt man sich so exaltiert wie möglich. Der Graf im silbernen Pailletten-Sakko stellt sich gar als Popsänger ans Mikrofon vor seinen Gästen. Das Ganze wirkt eher holzschnittartig und derb. Durch eine psychologischere Personenzeichnung hätte der Abend sicherlich gewonnen.

Die Solisten geben gleichwohl ihr Bestes. Gal James ist eine die Szene im Laufe des Abends immer mehr beherrschende Beatrice, deren gut sitzender Sopran in der Arie „Lächelst oder weinest du“ im Gefängnis trotz des nahen Todes in voller Wärme aufblüht. Christoph Pohl gibt den verdorbenen Grafen maskulin und markig, Dshamilja Kaiser seine verunsicherte zweite Frau Beatrice. Per Bach Nissen ist als Kardinal ein orgelnder Vertreter des vatikanischen Establishments, der auf seine Vorteile bedacht ist. Michael Laurenz überzeugt schliesslich als verschlagener Prälat Orsino, der Beatrices Zuneigung zu ihm und ihre Ausweglosigkeit ausnutzen will.

Weitere Vorstellungen am 22. und 30. Juli – bregenzerfestspiele.com
Bilder: Bregenzer Festspiele / Karl Forster

 

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