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Net lach'n – spielen, meine Herrn!

GRAZ / SCHAUSPIELHAUS / BÖHM

23/03/18 „In die Noten steht a Piano, I dirigier' a Piano, Sie spiel'n a Piano.“ Karl Böhm in allerbestem Proben-Grant vor den Wiener Philharmonikern. Der ist ja in Originalaufnahmen dokumentiert, und Nikolaus Habjan ist da mit seiner Puppenkunst voll in Fahrt.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber da ist auch ein anderer Böhm. Er doziert vor dem Geiger Wolfgang Schneiderhan (der ans Konzertmeisterpult gekommen ist, nachdem Ricardo Odnoposoff 1938 mangels Ariernachweis diesen Job verloren hatte): „Wenn das Politische kommt, schau ich in die Noten – und während ich in die Noten schau, überleg' ich, was es bringen könnte.“ Schneiderhan seinerseits schwadroniert von der „neuen Bestimmtheit“ die jetzt – 1938 – im Konzertsaal zu spüren sei. In diesem Saal sieht Böhm „den gemeinen Konzert-Wiener und SA-Leute“. Ein dankbares Publikum...

„Böhm“ heißt das am Donnerstag im Grazer Schauspielhaus aus der Taufe gehobene Stück, ein von Paulus Hochgatterer brillant zurechtgeschnittener, tiefenscharfer Text. Abrechnung mit der Nazi-Vergangenheit des Dirigenten? Die schleicht sich ein unter einer Folie aus Anekdotischem und umwerfend-bärbeißigem Grant. Da sind fiktive Gespräche mit Nazi-„Impresarii“ ebenso drin wie jenes denkwürdige Flughafen-Interview mit Karl Löbl, das Böhms Abgang als Staatsoperndirektor 1956 zumindest nicht verlangsamt hat.

Kleine Pikanterien sind etwa metergroße Stabpuppen, ein Format, mit dem Nikolus Habjan das erste Mal arbeitet: charmante Karikaturen von Christa Ludwig, Elisabeth Schwarzkopf und Walter Berry. Auch Fritz Busch, den Böhm auf Hitlers persönlichen Wunsch hin als Chef der Dresdner Staatsoper ablöste, kommt vor. Böhm am Telefon zu einem aufdringlich sächselnden Nazi-Vermittler: „Aber die Optik … was wer'n die Leit sagen?“

Ein genialer Kunstgriff von Paulus Hochgatterer: Er führt als Hauptfigur einen uralten Pseudo-Böhm ein, einen Doppelgänger im Rollstuhl. Habjan ist dessen (slowakischer?) Pfleger. Mit der zweiten Hand bedient er noch eine Puppe, die kleine Schwester des Pflegers. Sie verwickelt den Alten, der sich immer mehr in die Böhm-Rolle hinein steigert, in Gespräche. Schubert und Mozart kennt das Blondzopf-Mädel nicht, aber Wagner... Und sie trainiert für einen Marathon, bei dem sie „mitlaufen“ will. Das Wort lässt den Alten wie das Publikum zusammenzucken.

Gleich elf Puppen bedient Habjan, und wie diese Leben gewinnen, ja zu Persönlichkeiten werden, erlebt man hier ja nicht zum ersten Mal. Fast wundert man sich, dass der alte „Böhm“ am Ende nicht selbst an die Rampe kommt, sich zu verneigen.

Ja, dieses Ende: Da steht im Bühnenhintergrund auf einer überhohen Stele die Bronzebüste des Meisters. Der schrullige Alte erweist seinem prominenten Alter Ego seine Huld. Es ist Hassliebe. Wem es im Garderobengedränge nicht aufgefallen sein sollte: Neben dem Eingang steht eine weitere Replik dieses Böhm-Gedenkmals (im Original im Grazer Opernhaus), und auch da hat der Meister etwas abgekriegt.

Jubel für Paulus Hochgatterer und Nikolaus Habjan, aber auch fürs Team, aus dem Habjan vor allem die Co-Regisseurin Martina Gredler besonders hervorhob. Eine so dichte, zwischen politischem Anspruch und Humor wohl abgewogene Produktion kann nur im Teamwork gelingen.

Aufführungen bis 27. Juni – www.schauspielhaus-graz.com
Bilder: Schauspielhaus Graz / Lupi Spuma

 

 

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