Zudringlich und untreu. Götter und Männer
REST DER WELT / INNSBRUCKER FESTWOCHEH DER ALTEN MUSIK 2018
09/01/18 Der Vorverkauf läuft, die sommerliche Eröffnungs-Premiere wird schneller da, als in der winterlichen Kälte vorstellbar: Mit „Didone abbandonata“ von Saverio Mercadante, einem Zeitgenossen von Bellini, Rossini, und Donizetti, präsentiert Festwochen-Intendant Alessandro De Marchi erstmals eine Oper aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Von Heidemarie Klabacher
Den Regisseur, der die „Verlassene Dido“ in Szene setzen wird, kennen wir Salzburger ganz besonders gut: „Jürgen Flimm, einer der renommiertesten Regisseure unserer Zeit, übernimmt die Inszenierung“, heißt es aus Innsbruck. Für die Partie der Königin Dido von Karthago wurde die junge litauische Sopranistin Viktorija Miškūnaitė verpflichtet. Die Partie des Aeneas übernimmt in einer Hosenrolle die österreichische Mezzosopranistin Katrin Wundsam. „Erst im Originalklang kommen die musikalischen Ideen dieser italienischen Opernepoche zur Wirkung“, sagt De Marchi. „Man hört wo eine Opernwelt aufhört und eine neue beginnt.“
Mit ihrem Liebhaber auch nicht so gut getroffen hat es eine weitere antike Frauengestalt: Semele hat sich mit Zeus eingelassen, was im bestem Falle so ausgeht, dass frau in einen Goldregen oder einen Stern verwandelt wird (oder eine Kuh, wenn’s besonders blöd hergeht). Und Semele freilich war in typischer Täter-Opfer-Umkehr „selber schuld“: Sie hat noch den „Fatalen Wunsch“ geäußert, die wahre Gestalt ihres Liebhabers zu schauen. Wie das ausging erzählt Johann Adolf Hasse in seiner Serenata „La Semele o sia La richiesta fatale”. „Semele oder Der verhängnisvolle Wunsch“ wurde 1726 in Neapel uraufgeführt. Der Kastrat Farinelli soll – unbestätigten Gerüchten nach – bei der Uraufführung beteiligt gewesen sein. Eine Serenata ist kleiner besetzt und szenisch mit weniger Aufwand auf die Bühne zu bringen, wie die große Schwester Oper. Für den Dirigenten und Musikforscher Claudio Osele ist die Rarität jedenfalls ein „packendes Kammerspiel“, er wird die Serenata in Innsbruck in einer halbszenischen Aufführung dirigieren. Mit Francesca Aspromonte, Roberta Invernizzi und Sonia Prina werden drei herausragende Sängerinnen zu erleben sein.
Die Barockoper:Jung 2018 entführt ihr Publikum in die Zeit der frühen venezianischen Oper, wo es ebenfalls um die Liebe zwischen ungleichen Partnern geht, nämlich um die Liebe von Apollo und Dafne. Das war keine Menschenfrau, sondern eine Nymphe. Sie hat sich von ihrem Vater vor den Zudringlichkeiten des Gottes Apoll retten und in einen Lorbeerbaum verwandeln lassen: „Gli amori d‘ Apollo e Dafne“ in der Lesart von Francesco Cavalli. „Die barocke Welt der Schatten, Träume und Dunkelheit inspirierte die Regisseurin Alessandra Premoli dazu, ein Schattentheater im Innenhof der Theologischen Fakultät zu inszenieren“, berichten die Innsbrucker Festwochen. Apoll hat seine Aufdringlichkeit eingesehen. Den Lorbeerkranz tragen Dichter und andere Heroen seither in Erinnerung an die arme Dafne.
Die Konzerte auf Schloss Ambras und in der Kaiserlichen Hofburg gelten bei den Festwochen 2018 dem Instrumentenbauer Jacobus Stainer, der vor gut vierhundert Jahren geboren wurde. „Dessen Streichinstrumente waren lange Zeit begehrter als Stradivaris, und noch heute bewundert man den einzigartigen Klang“, so die Festwochen in ihrer Aussendung. Im Konzertprogramm begegnen werde man also Musik aus der Epoche von Jacobus Stainer: „Entweder mit Komponisten, die selbst Stainer-Geigen besaßen, wie Bach oder Corelli, aber auch mit Komponisten, die mit dem Instrumentenbauer persönlich in Verbindung standen, wie etwa Biber.“
Mit Anna Fusek, dem Ensemble Armoniosa, der Accademia Ottoboni, Leila Schayegh und dem Ensemble Daedalus werde man „absolute Spezialisten auf ihren Streichinstrumenten“ erleben. Der Stainer-Schwerpunkt gipfle im Konzert „Das goldene Zeitalter“ mit dem Schweizer Casal Quartett, das auf einem kompletten Original-Instrumentarium von Stainer spielen wird.