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Ein Kampf um Kunst und Liebesleben

REST DER WELT / AMSTERDAM / PIQUE DAME

14/06/16 Das Vorspiel zur „Pique Dame“ wird hier zum Nachspiel. Ein älterer Mann steht etwas mühsam auf, ein jüngerer mit langen Haaren folgt ihm. Hinter plüschigem Mobiliar ging es offenbar grade heftig zur Sache. Irgendwie erinnert der Alte an Tschaikowsky selbst. Kurze Zeit später tauchen unzählige weitere Tschaikowskys auf, sogar manch weibliches Wesen trägt – via Perücke – die Züge des Komponisten.

Von Jörn Florian Fuchs

Stefan Herheim und Mariss Jansons mit Peter Illitsch Tschaikowskys „Pique Dame“ beim Holland Festival Amsterdam: Herheim inszeniert, wieder einmal, ein Spiel mit Vervielfachungen, Brechungen, Überlappungen von Personen, Identitäten. Und dies funktioniert (im Gegensatz etwa zu Herheims „Hoffmanns Erzählungen“ in Bregenz) bei diesem grob geschnitzten, leicht Kolportage-haften Stück perfekt. Es ist tatsächlich sehr spannend zu beobachten, wie der Komponist mit seiner Oper und seinen Figuren ringt, wie er emotional und real darüber reflektiert, ob die junge Lisa nicht vielleicht doch etwas für ihn wäre. In sie hat sich der spielsüchtige Hermann verliebt, allerdings ist sie dem Fürsten Jeletzky versprochen. Und genau dieser geistert als „zentrales“ Tschaikowsky-Double ständig durch die verschiedenen Situationen und Räume!

Philipp Fürhofer schuf für Herheims Assoziationstheater einen Salon mit Kamin, edlen Sitzgelegenheiten und (gemalten) Bücherwänden, der sich öfters gleichsam auflöst, dann scheint helles Licht durch die Regale und es entstehen fantastische Raumwirkungen, Spiegelungen, surreale Kippmomente. Tschaikowsky/Jeletzky singt oft unhörbar mit, tanzt gelegentlich ein wenig oder setzt sich an einen Flügel. In diesem wird später die alte Gräfin beerdigt, sie weiß um das Geheimnis der drei Karten und will es Hermann nicht verraten.

Mühelos befreit Stefan Herheim „Pique Dame“ von Schmock und Pomp, gerade weil er diesen gebrochen historisierenden Blick darauf wirft. Am Ende gibt es vier Tote, neben der Gräfin ist die freiwillig aus dem Leben geschiedene Lisa zu beklagen, Hermann erschießt sich selbst und Jeletzky/Tschaikowsky fällt ebenfalls tot um. Vorher trinkt er allerdings noch ein weiße Flüssigkeit, eine Anspielung auf das mit Cholerabakterien verseuchte Glas Wasser, an dem Tschaikowsky vermutlich wirklich gestorben ist.

Vladimir Stoyanov mimt und singt diese Partie mit kraftvoll würdigem Bariton, Misha Didyk ist ein leichter, angenehm timbrierter Hermann, Svetlana Aksenovas Lisa besitzt Anmut, ein paar vokale Schärfen passen durchaus ins Bild. Mariss Jansons arbeitet Pult des Concertgebouw Orchesters viele Finessen der Partitur heraus, ohne den romantisch-ausladenden Überbau zu vernachlässigen. Gelegentlich tönt es unter dem Süßlichen ziemlich morsch und rau. Man konnte gut beobachten, wie freundlich-freundschaftlich einander Maestro und Musiker verbunden sind. Ein Meisterstück diesseits und jenseits der Bühne, das mit tumultösem Beifall gefeiert wurde.

"Pique Dame" fand im Rahmen des renommierten Holland Festival statt, Aufführungen bis 3. Juli. Das Festival dauert bis zum 26. Juni und bietet zahlreiche weitere Höhepunkte, darunter die Opern-Uraufführung "Theatre of the World" von Louis Andriessen oder den Auftritt des Syrian National Orchestra for Arabic Music. Die Österreicherin Olga Neuwirth ist in diesem Jahr mit mehreren Projekten vertreten – www.hollandfestival.nl/en
Touristische Infos: www.iamsterdam.com/de
Hoteltipp: Hotel Estheréa – www.estherea.nl
Bilder: Holland Festival / Karl und Monika Forster

 

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