Aus China und Armenien
REST DER WELT / MERAN / 30 JAHRE MUSIKWOCHEN
24/09/15 Seit je her machen auch Spitzenorchester bei den Settimane Musicali Meranesi, dem Südtirol Classic Festival, im schönen Kurort aufihren Tourneen Station. Diese Konzerte sind auch für Normalbesucher erschwinglich, die teuersten Karten kosteten heuer 90 Euro.
Von Wolfgang Stern
Auch das 30. Festival von 25. August bis 22. September war wieder geprägt von den ganz Großen unter den Orchestern: Die Wiener Symphoniker waren da, das Mariinsky Orchestra aus St.Petersburg unter Valery Gergiev, das Orchestra Filarmonica della Scala und die Academy of St. Martin in the Fields. Doch auch andere Ensembles kamen zum Zug, sogar Exotisches fand Platz im Programm. Davon sei hier berichtet.
Etwa vom China Youth Philharmonic Orchestra, das im 1914 erbauten Jugendstil-Kursaal einige Kostproben aus der Heimat vorstellte. und von Beethoven zu Gehör brachte. Darf man es mit mitteleuropäischen Ensembles wie dem Verbier-Orchester oder dem Gustav Mahler Jugendorchester vergleichen? Wenn sie Beeethoven spielen (in dem Fall die „Eroica“ gewiss nicht. Das chinesische Orchester setzt sich aus Studierenden und Lehrenden des Zentralen Konservatoriums in Peking zusammen und wird vom dort lehrenden Yang Youqing geleitet. Man kann sich vorstellen, dass hier nur die Allerbesten mitmachen dürfen. So war auch hörbar, dass technisch, egal ob Bläser oder Streicher, kein Manko zu finden war. Mit einer „Festivalouvertüre“, à la Hollywood of China, legte man so richtig los, ehe man zusammen mit zwei Solisten (Querflöte und Bambusflöte) „Ecounter in a Dream“ vortrug, stilistisch mit europäischem Impressionismus vergleichbar. Chinesische klassische Musik klingt eben anders als die unsrige, schwulstig, softy und dramatisch und doch interessant. Ein Konzert für Violine, Erhu (eine Röhrenspießlaute) und Orchester, „The Butterfly Lovers“, war durchaus mit dem Aufbau eines klassischen europäischen Konzertes zu vergleichen, wobei für die Solisten viel Raum für Dialoge eingeplant war. Gesittet und konzentriert wurde musiziert, allemal interessant für europäische Ohren.
Ein Vokalerlebnis der besonderen Art bot der im Jahr 2000 bei der Chorolympiade in Linz mit Gold ausgezeichnete Hover State Chamber Choir of Armenia, nach wie vor ein Weltklasseensemble. Hier klingt die armenische Seele in großartigen Werken heimischer Komponisten, etwa des Priesters, Komponisten, Sängers und Musikwissenschafters Komitas, der entscheidend in der Begründung der neuen armenischen Musik wirkte. Es sind geistliche und weltliche Lieder des Landes, die kunstvoll in Mehrstimmigkeit gesetzt wurden und die durch ihren oft mystischen Klang auch an die tragische Geschichte des armenischen Volkes erinnern. Zeitgenössische Musik von Voskanyan, Mansurian, Yerkanian oder Aghadjanyan, mit Intensität und extremer Dynamik vorgetragen, gehört auch zu den Spezialitäten dieses Kammerchores. Die Chorleiterin Sona Hovhannisyan hat mit ihrer Truppe aber auch Stücke von Antonio Lotti, Liszt, Britten, Rodion Shchedrin oder Penderecki hören lassen. Die Nahbeziehung zu Penderecki kommt nicht von ungefähr, sein „Psalmus III for Armenia“ oder sein „Agnus Dei“ könnte nicht schöner wiedergegeben werden. Dazu passte der stimmige gotische Raum der Kirche von Niederlana (nahe Meran), wo sich der berühmte Flügelaltar von Schnatterpeck befindet. Ein Chor, der mit dieser Qualität Kur für unser Gehör bot.