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Don Giovanni in der Sektenkirche

OPERNHAUS ZÜRICH

29/05/13 Beim Regisseur Sebastian Baumgarten wird Mozarts Dramma giocoso „Don Giovanni“ zu einer Slapstick-Show mit interessanten Ansätzen, aber ohne Faden. Zum Glück steht Robin Ticciati am Pult.

Von Oliver Schneider

Nur knapp eine Woche ist es her, dass das Orchestra La Scintilla des Opernhaues Zürich mit Vincenzo Bellinis „Norma“ bei den Salzburger Pfingstfestspielen gastiert hat. Nun sind sie wieder im Stammhaus im Einsatz: Das Orchester formiert sich großteils aus Mitgliedern der Philharmonie Zürich. Robin Ticciati steht bei der Neuinszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ am Pult und lässt die Partitur hell und klar funkeln.

Der d-Moll-Beginn der Ouvertüre klingt bedrohlich, aber nicht pathetisch-schwer, auch das Höllenfahrts-Terzett nicht. Die Klangbalance zwischen Streichern und Bläsern ist den gesamten Abend über gegeben. Vor allem aber hat Ticciati ein Augenmerk auf die ausgeklügelte Tempodramaturgie. Nikolaus Harnoncourt lässt grüßen. Daraus und dank des präzisen Spiels der Musikerinnen und Musiker steigert sich die Spannung im Graben bis zur Höllenfahrt, während sie im Schlusssextett ihre beruhigende Auflösung findet. Erfreulicher könnte ein Mozart-Abend kaum sein.

Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten, der spätestens seit seinem Bayreuther „Tannhäuser“ vor zwei Jahren auch über Deutschland hinaus ein Begriff in der Opernwelt ist, hingegen lässt den Zuschauer in einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Er fokussiert auf den Konflikt zwischen der gesellschaftlichen Ordnung und der Individualität des Einzelnen. Hier die puritanische Ordnung einer evangelikalen Sekte, dort der nach Freiheit dürstende Hippie-Typ Giovanni mit seinem clownesken Diener Leporello. Handlungsorte sind eine nüchterne, moderne Kirche und der Platz davor. Das Bühnenbild ist von Barbara Ehnes.

Warum aber dieser Don Giovanni schlussendlich als Teufel verkleidet vom Komtur in die Hölle befördert wird, ist leider nicht klar. Als King Kong maskiert kommt er zunächst von Donna Anna, die sehr viel mehr Gefallen an ihrem Ottavio in lila Unterwäsche finden dürfte, und ersticht in Notwehr ihren Vater. Ob er Donna Anna verführt hat? Von einem notorischen Frauenheld hat Giovanni jedenfalls nichts. Er scheint mehr Freude daran zu haben, seine Opfer zu fesseln und dann so zu verletzen, dass das Theaterblut nur so spritzt. So geschieht es auf dem für das Puritanerpaar Masetto und Zerlina veranstaltenden Hochzeitsfest. Vollkommen ins Lächerliche gezogen ist der Kleidertausch Giovannis und Leporellos am Anfang des zweiten Akts. Als ob der Zuschauer nicht selbst wüsste, dass man sich nicht so leicht in der Person täuscht.

Viel Slapstick, ein Kostümmix (von Tabea Braun) von heute bis zur Barockzeit: So lässt sich der Abend zusammenfassen. In den obligaten Videos und Standbildern werden Begriffe wie „Neid“, „Völlerei“ oder „Verrat“ eingeblendet. Interpretierende Verdopplungen, die beim genauen Zuhören und Zuschauen nicht nötig wären.

Amüsant ist der Abend wenigstens, was zum „Dramma giocoso passt. Letztlich bleibt aber der Eindruck, dass Baumgarten nicht nur dem Publikum die Fähigkeit abspricht, gewisse Inhalte abstrahierend zu interpretieren, sondern Mozart und seinem Librettisten Lorenzo da Ponte regelrecht misstraut.

Ärgerlich ist vor allem, dass Baumgarten zwar Bilder produziert, aber die Solisten mehrheitlich herumstehen lässt. Eine gewisse „Spielspannung“ kommt nur im Höllenfahrtsterzett auf. Immerhin können sich die Solisten auf das Singen konzentrieren. Die Tatsache, dass man sich in Zürich entschieden hat, die übliche Mischfassung aufzuführen, beschert dem Besucher das Glück, Pavol Breslik – wunderbar phrasierend und mit schmiegsamem Tenor - mit beiden Ottavio-Arien zu hören. Peter Mattei fügt sich als rollenerfahrener Don Giovanni gut in das Regiekonzept ein und gefällt mit vollem Ton und viel Flexibilität in der Lautstärke. Sein Diener Leporello ist Ruben Drole, der mit beweglich schlanker Stimmführung ideal zum Klang des Orchesters passt. Rafal Siwek ist ein Komtur von tragischer Größe, der in Zürich keine Statue ist, sondern von Giovanni und Leporello exhumiert wird. Erik Anstine lässt als biederer Masetto aufhorchen.

Nicht ganz so überzeugend sind die Damen. So sehr der Sopran von Marina Rebeka volltönend leuchtet, so farbenarm erklingt er zumindest jetzt in Zürich. Julia Kleiters Rollendebüt als Donna Elvira kommt wohl zu früh. Ihre Stimme ist (noch) zu wenig dramatisch für die eifersüchtige Ehefrau Giovannis. Anna Goryachovas Mezzosopran ist hingegen bereits eine Spur zu schwer für die Zerlina, obwohl sie gemeinsam mit Peter Mattei im „Là ci darem la mano“ für einen der musikalischen Höhepunkte des Abends sorgt.

Wie bereits Christoph Marthaler in seinem Salzburger „Figaro“ am Ende der Mortier-Ära experimentieren Ticciati und Baumgarten bei den Rezitativen, die zum Teil unbegleitet bleiben, neu bearbeitet sind oder bei denen statt des Cembalos die Orgel aus der Sektenkirche oder ein Cello zum Einsatz kommen. Die Continuo-Spieler sind auf der Bühne platziert. Eine interessante und gelungen umgesetzte Idee, weil sie stimmig mit der Inszenierung ist.

1., 4., 7., 9., 14., 20., 22., 25. und 27. Juni - www.opernhaus.ch

 

 

 

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