Die triumphale Rückkehr von Edita Gruberova
REST DER WELT / ZÜRICH / ROBERTO DEVEREUX
01/10/12 Nach zehn Jahren szenischer Abstinenz von der Zürcher Oper ersingt und erspielt sich Edita Gruberova in einer ihrer gegenwärtigen Paraderollen, als Elisabetta in Donizettis „Roberto Devereux“, Standing Ovations.
Von Oliver Schneider
Zehn Jahre stand Edita Gruberova nach einem Streit mit Alexander Pereira nicht mehr auf der Bühne des Opernhaues Zürich; nur mit einem Liederabend war sie im vergangenen Mai kurzfristig für den erkrankten Jonas Kaufmann eingesprungen. Dies gehört nun der Vergangenheit an. Andreas Homoki konnte sie gleich zu Beginn seiner ersten Saison für eine Wiederaufnahme einer 15 Jahre alten „Roberto Devereux“-Produktion gewinnen. Eine traditionelle Inszenierung von Giancarlo del Monaco, die in einem dunklen Kerker als Einheitsschauplatz spielt. Der Kerker steht für die Konventionen der Gesellschaft, in welche die Protagonisten eingezwängt sind. Während diese in Renaissancekostümen agieren, trägt der Chor solche, die für die Entstehungszeit des Werks stehen. Der Chor ist Beobachter des Geschehens, von einer Balustrade mit prunkvollen Logen aus.
Für diese biedere Produktion, in der die Sänger sich immerhin die Freiheit zum Spielen nehmen können, würde man nicht nach Zürich reisen, stände nicht die Ausnahmesängerin Edita Gruberova auf der Bühne. Trotz neuer Technik ist naturgemäss auch an ihr nicht der Kelch der Zeit vorbeigegangen und unterliegen ihre Leistungen heute Schwankungen. Dass auch eine Jahrhundertsängerin mit fast 66 Jahren die Elisabetta heute mehr Anstrengung kostet als vor 15 Jahren, ist selbstverständlich. Aber welche Sängerin verfügt (oder verfügte) über ein so einzigartiges Messa di Voce, ist nach einer langen Karriere immer noch zu perlenden Koloraturen, so berührenden Piani in stratosphärischer Höhe in der Lage und besitzt einen so langen Atem? Wer lotet eine Partie wie die unglückliche Königin in allen erdenklichen Zwischentönen aus, kann ihrer Verzweiflung über den Verlust von Devereux in der Schlussszene so beredten Ausdruck verleihen? Heute niemand, und das Publikum wusste es ihr am Freitagabend (28.9.) in Zürich zu danken. Rosen streute ihr der Chor schon nach ihrer ersten Kavatine am Ende der zweiten Szene.
Die Wiederaufnahme ist ein Ereignis für das Opernhaus Zürich und die neue Intendanz. Schon jetzt darf man auf die nächste Produktion mit der Gruberova in Zürich gespannt sein. Im Rahmen der Zürcher Festspiele wird sie in Christof Loys Neuinszenierung von Vincenzo Bellinis „La Straniera“ ihr szenisches Debüt als Alaide geben.
Die Aufführung besitzt auch sonst musikalisch keine Schwächen. Bis auf John Osborn in der Titelrolle nur neue Gesichter in Zürich. Osborn liegt der gefallene Günstling der Königin deutlich besser als zuletzt der Otello in der Rossini-Fassung an diesem Haus. Er punktet mit Eleganz und Flexibilität in der Phrasierung. Als ihre Vertraute und Nebenbuhlerin Sara überzeugt die italienische Mezzosopranistin Veronica Simeoni stilistisch souverän und mit starker Präsenz. Den hintergangenen Ehemann und besten Freund von Devereux, den Herzog von Nottingham, gibt Alexey Markov dramatisch packend mit kernigem Timbre. Am Pult der Philharmonia Zürich setzt Andriy Yukevych die nötigen Impulse mit Belcanto-Brio und auf der Gefühlsebene.