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Dem Baumeister zerbröckelt die Welt

REST DER WELT / SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH / BAUMEISTER SOLNESS

26/09/12 Mit Ibsens Spätwerk „Baumeister Solness eröffnete Barbara Frey ihre vierte Spielzeit am Schauspielhaus Zürich. Ihr Vertrag als Intendantin wurde kürzlich bis 2016 verlängert. Frey hat das dreiaktige, 1893 uraufgeführte Schauspiel in zwei Stunden pausenlos in Szene gesetzt und zeigt mit ihrer schnörkellosen Inszenierung, wie zeitlos aktuell Ibsen ist und bleibt.

Von Oliver Schneider

Kaja Fosli verbucht Rechnungen, Ragnar Brovik ist mit Bauplänen beschäftigt, nur sein Vater Knut starrt untätig und rauchend auf den großen Tisch in der Bühnenmitte, um den die drei stehen. Hierauf befinden sich Häusermodelle, Baupläne, Getränke, Gläser, Rechnungen. Er steht im Haus des erfolgreichen Baumeisters Solness. Eigentlich könnte er mit dem Erreichten zufrieden sein, doch seine Karriere setzte mit einem dunklen Ereignis ein. Immer hatte er sich gewünscht, dass das altmodische Elternhaus seiner Frau Aline, in dem die beiden damals wohnten, abbrennen würde, um das große Grundstück neu parzellieren und bebauen zu können. Ein Brand, an dem er selbstverständlich keine Schuld trug, erfüllte diesen Wunsch. Damals kamen auch die Zwillinge des Ehepaars um. Für seine Frau noch schlimmer war, dass sie ihr ganzes Hab und Gut verlor. Für Solness‘ Karriere war das Ereignis unerheblich, aber nicht für das Verhältnis mit seiner Frau, das immer frostiger wurde.

13 Jahre später steht Solness trotz seines unbestrittenen beruflichen Erfolgs vor einem beruflichen und privaten Scherbenhaufen.

Robert Hunger-Bühlers Baumeister gibt sich trotz seiner Härte recht zugänglich und höflich, zuweilen sogar liebenswürdig. Vor allem aber strahlt er von Anfang an eine innere Unruhe aus: diesen Mann quält permanent sein Gewissen, was ihn Selbstsicherheit kostet. Er klammert sich an das Erreichte, will nicht teilen mit anderen. Deshalb bindet er auch seine Buchhalterin Kaja Fosli, Ragnars Verlobte (Yanna Rüger) an sich. Nicht nur beruflich.

Seine Frau Aline (Friederike Wagner) hat sich an seine Seitensprünge gewöhnt, quittiert sie mit zur Schau gestellter Unnahbarkeit und Desinteresse. Doch auch bei ihr brodelt es permanent unter der Oberfläche, auch wenn sie nach außen hin immer wieder von ihrer Pflicht als Ehefrau spricht. Psychisch ist sie schwer belastet, denn wie lässt sich sonst erklären, dass eine erwachsene Frau mehr unter dem Verbrennen ihrer Puppensammlung als unter dem Verlust ihrer Kinder leidet?

Das Erfolgs-Scheinkonstrukt im Haus Solness bricht zusammen, als Hilde Wangel (Franziska Machens) auftaucht, der Solness vor zehn Jahren ein Königreich versprochen hat. Damals war sie ein Kind, das den erwachsenen Mann interessierte. Was manche in solchen Momenten reden, hat sie für bare Münze genommen. Auch bei ihr tun sich Abgründe auf. Solness ist seitdem für sie ein Held, vor allem weil er an der Wetterfahne des von ihm gebauten Kirchturms einen Kranz aufgehängt hat, obwohl er nicht schwindelfrei ist. Die resolute Hilde übt ihren Einfluss auf Solness hemmungslos aus, er ist ihr Idol. Sie zwingt ihn, seine Angst vor der Jugend zu überwinden. Dank ihres Drucks verzichtet Solness auf einen Bauauftrag und gibt Ragnar so seine Chance. Eine Chance, wie er sie selbst auch hatte. Fatal wird Hildes Einfluss, weil sie ihr Heldenbild von Solness nicht korrigieren will. So wie vor 13 Jahren soll er nun auf den Turm seines eigenen, im Bau befindlichen Hauses steigen, um an der Wetterfahne einen Kranz aufzuhängen. Doch ist er nicht schwindelfrei…

Frey hat das dreiaktige, 1893 uraufgeführte Schauspiel in zwei Stunden pausenlos in Szene gesetzt und zeigt mit ihrer schnörkellosen Inszenierung, wie zeitlos aktuell Ibsen ist und bleibt. Die Halvard Solnesse, Aline Solnesse, die Ragnars, Kajas und Hildes sind Zeitgenossen in jeder Epoche. Mit ihrem Zürcher Ensemble ist Frey im Stammhaus am Pfauen erfolgreich in die neue Saison gestartet.

Weitere Vorstellungen: 25. und 28. September; 6., 8., 12., 15. Oktober - www.schauspielhaus.ch

 

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