Und die Scheibe dreht sich weiter
REST DER WELT / FRANKFURT / SIEGFRIED
22/11/11 Dreiviertel des „Ring des Nibelungen“ sind produziert. Die Oper Frankfurt macht mit einem sehenswerten „Siegfried“ auf sich aufmerksam. Die Regie von Vera Nemirova wird sehr positiv aufgenommen.
Von Wolfgang Stern
Mit großen Schritten nähert sich die Oper Frankfurt den Gesamtdurchläufen von Wagners Ring. Nach erfolgreichen Aufführungen von Rheingold und Walküre (2011) wurde nun mit Spannung der Siegfried erwartet. Jens Kilians Frankfurter Scheibe, die dazu noch in vier verschwenkbare Ringe abgeändert werden kann, schafft seit dem Rheingold immer wieder neue und in Verbindung mit tollen Lichteffekten (Olaf Winter) spannende Möglichkeiten eines Bühnenbildes, das sich durch alle vier Teile ziehen wird. Kilians Bühne fordert ebenso die Protagonisten, die sich unter der Stabführung Sebastian Weigles – auch er hat neben anderen wie Thielmann oder Welser-Möst einiges als Wagnerkenntnis anzubieten – sichtlich wohl fühlen. Und die Bulgarin Vera Nemirova (die in Salzburg Bergs „Lulu“ inszenierte) bringt den Ring in ungemeiner Geschlossenheit auf die Bühne. Ihr gelingt am zweiten Tag des Bühnenfestspiels eine Entschlackung mittels allegorischer Bilder und einer dazu optimalen Personenführung. In manchen Szenen muss man schmunzeln, so etwa wenn der Wanderer nach weitem Weg zu seinem Flachmann (vielleicht bulgarischer Schnaps?) greift. Man geht aber nicht leichtfertig mit Wagner um.
Die Bühne als schräge Kreisfläche mit den ineinander greifenden Ringscheiben bietet viele Möglichkeiten und im darunter liegenden Bereich Schmiede, Höhle, Kammer oder Ähnliches.
Der Titelheld, der Kanadier Lance Ryan, ist derzeit einer der gefragtesten Wagner-Sängern. Sein tenoraler Glanz ist gefragt, der Terminkalender für die nächste Zeit zeigt es: Siegfried im Ring in Frankfurt (Juni 2012), Siegmund in einem Gastspiele der Bayerischen Staatsoper in Paris (April 2012), wieder Siegfried in der Staatsoper Berlin (März/April 2013), an der Scala (Oktober/November 2012 und Juni 2013) und in München (Jänner 2013) und dass geht so über Bayreuth (Sommer 2013) bis Valencia (November/Dezember 2013), Wien (Mai/Juni 2014) – Siegfried ischeint ausgebucht bis zum Tokyo Spring Festival im April 2016. Dazwischen gibt es noch einen Otello, Bacchus oder Lohengrin, einen Radames oder Don José. Ein gefragter Mann, der jedoch wissen muss, wo die Grenzen liegen. Jedenfalls kann er es sich zur Zeit mit seinem Organ leisten, in Siegfried die kräftezehrende Titelrolle von Beginn an mit Hingabe und vollem Einsatz zu bringen. Es ist Ryans achtes Haus, wo er diese Partie singt. Höhensicherheit und vor allem Wortdeutlichkeit sind zwei seiner Markenzeichen.
Peter Marsh als Mime bleibt als Charaktertenor nichts schuldig. Terje Stensvold hinkt keinesfalls mit seinem kraftvollen Organ als Wanderer in seiner Leistung nach, auch darstellerisch kann er voll überzeugen. Jochen Schmeckenbacher ist ein souveräner Alberich. Magnús Baldvinsson steckt in einem Kostüm, das ihn mit Muskeln und Sehnen zeigt. Als Fafner ist er wirkungsvoll und stimmlich ebenso mit dabei wie Susan Bullock als Brünnhilde. Ein sicherer und klarer Waldvogel ist Kateryna Kasper. Als Double wird sie mit viel Ausdruck von Alan Barnes getanzt – ein weiterer guter Regieeinfall. Und dann noch Erda: Meredith Arwady hat eine durchdringende Tiefe mit einem hohen Schwingungsradius und erreicht nicht ganz den Level der Männerriege.
Sebastian Weigle leistete beste Arbeit und lenkte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester (so der offizielle Titel) auffallend kontrastreich durch kammermusikalische und symphonische Zonen.