Komödie crasht Tragödie
REST DER WELT / OPERNHAUS ZÜRICH / ARIADNE
04/10/24 Andreas Homoki inszeniert in seiner letzten Saison als Intendant des Opernhaus Zürich Richard Strauss' Ariadne auf Naxos. Markus Poschner dirigiert das feine musikalische Kammerspiel.
Von Oliver Schneider
Was würde wohl Intendant Andreas Homoki sagen, wenn einer seiner zahlreichen Sponsoren ihn auffordern würde, wegen eines geplanten Feuerwerks eine tragische Uraufführung und eine komische Oper gleichzeitig aufzuführen? Wie würde er anstelle des Komponisten mit der Situation umgehen? Zum Glück kann sich Homoki damit begnügen, die von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal konstruierte Situation auf die Bühne zu bringen.
Für die Theater-auf-dem-Theater-Situation lässt er das Vorspiel im Hause des reichsten Mannes Wiens einfach auf der leeren Bühne beginnen, auf der die Vorbereitungen für die bevorstehenden Aufführungen der Tragödie um die verlassene Ariadne und der Komödie mit Zerbinetta und ihrer Truppe laufen. Zuerst sollen sie nacheinander gespielt werden, dann aber ineinander verschachtelt, wie der bestimmt auftretende Haushofmeister (Kurt Rydl) den Beteiligten in herablassend-arrogantem Ton mitteilt.
Was zunächst als ein Ding der Unmöglichkeit erscheint, erweist sich schließlich dank der Flexibilität des zunächst verzweifelten Komponisten, der Einfühlsamkeit und Diplomatie seines Musiklehrers sowie Zerbinettas Charme als ideale Lösung. Die gewünschte Aufführung kann stattfinden. Noch im Brautkleid trauert die verzweifelte Ariadne in ihrem Schlafzimmer auf schwankendem Boden um Theseus, der sie verlassen hat, und will sich mit Schlafmitteln umbringen.
Für die Komödianten ebenfalls in Brautkleidern ist es eine schwierige Situation, für gute Laune zu sorgen. Zerbinetta versucht es von Frau zu Frau und entpuppt sich dabei als ganz und gar nicht oberflächlicher Schmetterling. Auch sie sucht im Grunde ihres Herzens die eine, echte Liebe – und findet sie am Schluss im Komponisten. Ariadnes Befreier aus der Isolation ist der Gott Bacchus, den sie zunächst als Todesboten missdeutet.
Homoki transferiert die Rahmenhandlung und den inhaltlichen Kern der Oper behutsam ins Heute. Er macht die Personen mit ihren existenziellen Problemen um Liebe, Verlust und Einsamkeit nahbar. Und das nicht nur im scheinbar großen Gegensatz zwischen Tragödie und Komödie der Oper, sondern ebenso im kurzweilig-quirligen Vorspiel, in dem wir die Protagonisten der Oper mit ihren Allüren und Eifersüchteleien sowie die pragmatischen „Produzenten“ hautnah und hektisch agierend kurz vor Spielbeginn erleben.
Martin Gantner gibt den mit allen Wassern gewaschenen Musiklehrer, der weiß wie er mit jungen, in der Ehre gekränkten Komponisten, nervösen Primadonnen und aufgeblasenem Personal in einem herrschaftlichen Haus umgehen muss. Nathan Haller als Tanzmeister ist sein Gegenpart bei der Komödienanten-Truppe. Er ist ein lockerer Typ, der keinen falschen Respekt vor Traditionen zeigt und vor unkonventionellen Lösungen nicht zurückschreckt.
Markus Poschner gelingt es, das oft kammermusikalische, reiche Klangbild mit seinen Leitmotiven und zahlreichen Zitaten unter anderem Mozart, Beethoven und Schubert mit der Philharmonia Zürich filigran ins Licht zu setzen. Etwas Mühe bekundet er auch in der besuchten Folgevorstellung noch mit der Größe des Hauses. Vor allem im Vorspiel, aber auch in der großen Schlußszene zwischen Ariadne und Bacchus mit der immer noch sehr kleinen Besetzung würde man sich zumindest im Parkett eine etwas gedrosselte Dynamik wünschen.
Daniela Köhler gibt die trauernde Ariadne mit engelhaftem Piano und jubiliert in der Schlussszene in schönsten Farben und mit Kraft. Ihr Pendant bei den Komödianten ist die junge Chinesin Ziyi Dai, die stimmlich in ihrer großen Szene „Grossmächtige Prinzessin, wer verstünde nicht“ in jüngerer Zeit keine Vergleiche scheuen muss. John Matthew Myers ist ein bestechender Bacchus. In weiteren Vorstellungen wird Brandon Jovanovich den Part übernehmen. Lauren Fagan als Komponist überzeugt gleichermaßen im Parlando wie im lyrischen kurzen Duett mit Zerbinetta am Ende des Vorspiels. Yannick Debus sei stellvertretend für die gut besetzten kleineren Partien genannt. Als wohltönender Harlekin darf er gemeinsam mit seinen Komödianten-Kollegen viel Spielwitz an den Tag legen. Allen Protagonisten bemühen sich um eine sehr hohe Textverständlichkeit, die gerade bei Strauss zentral ist.