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Ja, das Studium des Menschen ist schwer...

REST DER WELT / ZÜRICH / DIE LUSTIGE WITWE

16/02/24 Barrie Kosky befreit, kurz nach München, nun auch in Zürich eine Operette von Staub und Patina. Marlis Petersen und Michael Volle blicken in Franz Lehárs Operette Die lustige Witwe im Opernhaus Zürich als gesetztes Ehepaar zurück auf die Tage, in denen sie nicht zueinander finden konnten.

Von Oliver Schneider

Seit 2013 zeigt Barrie Kosky in Berlin immer wieder, dass Operetten keine altbackenen, plüschigen Inszenierungen brauchen, um dem Publikum zu gefallen. Erst zum Jahreswechsel hatte er – zugegeben nicht zur Freude aller Besucherinnen und Besucher – auch den Silvester-Hit schlechthin, Johann Strauß’ Fledermaus, im Nationaltheater von der angesetzten Patina befreit. Gefehlt hat dem Abend in München nur ein Dirigent, der genauso viel Spass und Zugang zu Strauß’ Walzer-Rhythmen hat.

Das ist nun in Zürich zum Glück ganz anders, wo Bühne und Graben für einen witzigen, unterhaltenden und gleichzeitig nachdenklich stimmenden Abend sorgen. Patrick Hahn steht am Pult der Philharmonia Zürich und sorgt nicht nur für einen wunderbar differenzierten und prägnanten Klang, sondern zeigt vor allem, wie Lehár die musikalischen Ströme seiner Zeit in seiner Musik verarbeitet hat.

Barrie Kosky baut um die Beziehungsgeschichte der aus armen Verhältnissen stammenden Hanna, zur Millionenerbin gewordenen und plötzlich von allen Männern heiß begehrten Frau Glawari und des verarmten adeligen Botschaftsattachés Danilo im vergnügungssüchtigen Paris eine Rahmenhandlung. Hanna und Danilo im fortgeschrittenen Semester und verheiratet blicken zurück auf das schwierige Zueinanderfinden, wozu zu Beginn des Abends Lehárs eigenes lustige-Witwe-Arrangement für Klavierwalze erklingt.

Auf der schwarz-grauen, leeren Drehbühne reichen ein Rundvorhang, um rasche Szenenwechsel zu ermöglichen, und ein Flügel, um die Räume in der pontevedrinischen Botschaft und bei der Glawari anzudeuten. Denn auf den Flügel kann man hinauaufspringen, man kann auf ihm sitzen oder liegen, und ein erschöpfter Danilo kann darunter auch seinen Rausch ausschlafen. Kein Aufwand wurde bei den Kostümen gescheut. In der Botschaft versprühen sie edel-schwarzen Chic, mit kunstvollen Damenhüten. Bunt und schrill wird es dann am Fest bei der lebenslustigen Witwe, die – um ihren Danilo – endlich zu bekommen auch seine geliebten Grisetten aus dem Maxim in ihr Haus holt. Da darf es auch ruhig ein bisschen queer zugehen, das gehört bei Kosky einfach dazu.

Man kann schon fast von einem treuen Kosky-Ensemble sprechen, das sich in Zürich für diese Produktion zusammengefunden hat. Marlis Petersen, die sich zwar in der besuchten zweiten Vorstellung wegen einer Verkühlung ansagen lassen musste, ist nicht nur als Femme fatale Lulu, Elisabeth oder reflektierende Marschallin eine Klasse für sich, sondern auch als singende, tanzende und charmante Operettendiva.

Wenn Michael Volle von seinen nächtlichen Eskapaden erschöpft im ersten Akt in die Pariser Botschaft seines verarmten Heimatlandes stolpert, meint man zwar zunächst, Hans Sachs trete ein. Aber schnell gewöhnt man sich daran, dass Petersen und Volle zwei reife Menschen sind, die schon länger um einander ringen. Die melodramatischen Passagen helfen Volle, die Rolle nicht nur darstellerisch, sondern auch stimmlich gut zu bewältigen.

Martin Winkler kalauert dieses Mal als pontevedrinischer Botschafter Mirko Zeta (in der Münchner Fledermaus war er der Gefängnisdirektor Frank) der einem in seiner Einfältigkeit fast schon leidtut. Barbara Grimm spielt den für jedes Problem eine Lösung findenden Kanzlist Njegus und Katharina Konradi (in München die Adele) ist Mirko Zetas scheinbar anständige, aus Paris stammende quirlige Gattin Valencienne, die ganz bieder mit dem von ihr begehrten Camille de Rosillon (Andrew Owens) den Zauber der Häuslichkeit preist. Da ist die emanzipierte Hanna Glawari von ganz anderem Kaliber.

Gespannt sein durfte man, was Kosky mit dem unbestritten chauvinistischen Weibermarsch machen würde. Die zweite Strophe erklingt zwar in Zürich nicht sofort, dafür träumen die Herren im Cancan ganz offen genderfluid, und beschließt den Abend im von Patrick Hahn arrangierten Epilog. Man trifft wieder auf das Ehepaar Hanna und Danilo und die Dame hält dem Gatten vor, was die Männer doch für Despoten sind.

Wer noch nicht genug von Lehárs Lustiger Witwe hat, kann ab März die Produktion von Barrie Kosky mit jener von Mariame Clément in der Volksoper Wien vergleichen. Mariame Clément wird im Sommer dann bei den Salzburger Festspielen Les contes d’Hoffmann von Jacques Offenbach inszenieren.

Die lustige Witwe
– weitere Vorstellungen im Opernhaus Zürich bis 14. März – www.opernhaus.ch
– ab 2. März in der Volksoper Wien – www.volksoper.at
Bilder: Opernhaus Zürich / Monika Rittershaus

 

 

 

 

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