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Steh- und Rampentheater in Baselitz-Skizzen

MÜNCHEN / PARSIFAL

02/07/18 Pierre Audi scheitert im Münchner Nationaltheater an Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Zum Glück legen Kirill Petrenko und das fantastische Bayerische Staatsorchester oft verdeckte Klangschichten frei und sorgen für Festspielwürdigkeit.

Von Oliver Schneider

Der Jubel, der Kirill Petrenko entgegenbrandete, als er am Sonntagabend zum zweiten und dritten Aufzug an das Pult des Staatsorchesters trat, steigerte sich bis zum Schlussapplaus so, dass es gleich beim ersten Verbeugen Standing Ovations für Münchens geliebten Generalmusikdirektor gab. Zu Recht, denn selten hört wohl ein Dirigent so subtil in das musikalische Geflecht hinein und legt jedes Detail von Wagners Partitur so plastisch offen. Man hat vor allem in den ersten beiden Aufzügen den Eindruck, jede Note jeder Stimme einzeln zu hören. Auch andere Dirigenten machen transparent. Der Unterschied ist aber, dass Petrenko sich dabei nicht verliert, sondern trotz Auffächerns ein Gesamtbild formt. Und das mit forschen Tempi, so dass es nie zu einem pathetischen Zelebrieren kommt.

Teil von Petrenkos Detailarbeit ist auch die Umsetzung der dynamischen Vorgaben. Die Protagonisten können wirklich piano und pianissimo singen – wann hat man das so in den letzten Jahren gehört? –, weil Petrenko weiß, wann er das Orchester zurücknehmen muss. Zwei Sänger nutzen den Spielraum bis in die kleinste Facette aus und liefern so eindrückliche Rollenporträts. Der eine heißt Christian Gerhaher, der in München sein Debüt als Amfortas gegeben hat. Als erfahrener Liedsänger liefert er mit jeder Silbe einen Mosaikstein für das Gesamtbild des siechenden Amfortas. Gut gelingen ihm aber auch die heldenhaften Ausbrüche, wenn er sich gegen die Gralsenthüllung aufbäumt. Und was seine Leistung besonders auszeichnet, ist die hohe Textverständlichkeit. Um ihm zu folgen, braucht es den Blick auf die Übertitelung nicht.

Der zweite aus dem illustren Ensemble herausragende Sänger ist René Pape als Gurnemanz. Als entschleunigender, sonorer Erzähler darf auch er häufig in der dynamischen Bandbreite bis ins Pianissimo zurückgehen. In seinen Erzählungen deklamiert auch er mit höchster Textverständlichkeit.

Mit Jonas Kaufmann in der Titelpartie und Nina Stemme als Kundry sind natürlich auch die weiteren beiden grossen Partien luxuriös besetzt. Kaufmann braucht zwar Anlaufzeit, zeigt sich dann aber doch im Laufe des zweiten Aufzugs als einer, der, wenn nötig, handeln kann. An seiner breiten, cremigen Mittellage kann man sich im dritten Aufzug so richtig erfreuen. Nina Stemme ist eine Kundry mit hochdramatischem Format, der es aber im für sie fast stummen dritten Akt an der mimischen Gestaltungskraft fehlt.

Wolfgang Koch gibt einen Alberich-haften, stimmmächtigen Klingsor, der nach Macht und Rache giert, während man Bálint Szabós metallischen Titurel leider nur aus dem Lautsprecher hört. Für die Gralsritter, Knappen und Blumenmädchen kann die Staatsoper auf bewährte Ensemble- und junge Opernstudio-Mitglieder zählen, die Chöre wurden von Sören Eckhoff und Stellario Fagone bestens für die Festspielaufgabe vorbereitet.

Großangekündigt wurde im Vorfeld das Regieteam: Pierre Audi und Georg Baselitz. Leider muss man die Produktion im Ergebnis als gescheitert betrachten. Es wird ein bisschen stilisiert bebildert, aber nicht interpretiert. Eine Personenzeichnung von Seiten des Regisseurs findet nicht statt. Eine Personenführung fehlt ebenso, stattdessen wird viel an der Rampe gesungen.

Baselitz nahm seine „Heldenbilder“ aus den 1960er Jahren als Ausgangspunkt für seine Parsifal-Skizzen hervor, die teilweise im Programmheft abgebildet sind. Christof Hetzer hat dann unterstützend mitgewirkt, einige Ideen davon auf Prospekten und in stilisierten Tannen auf der Bühne umzusetzen. Nach der Gralsenthüllung im ersten Aufzug sinken die Tannen in sich zusammen, als ob die Natur ihre letzte Kraft verloren hätte. Im dritten Aufzug baumeln sie dann an ihren Wurzeln hängend aus dem Bühnenhimmel herunter. Durch Klingsors Zauberschloss-Prospekt geht ein Riss. Gab es nicht schon Ähnliches in der letzten Münchner Parsifal-Produktion? Im Schloss tummeln sich halbnackte, greise „Blumenmädchen“ mit übergroßen Busen. Kein Wunder, will Parsifal von diesen Frauen nichts wissen. Nicht besser ergeht es den Gralsrittern, die ihre schwabbeligen Körper für die Gralsenthüllung ebenfalls enthüllen müssen (Kostüme: Florence von Gerkan). Schwarz ist im Übrigen die dominierende Farbe des Abends, sieht man von einigen Lichteffekten während des Karfreitagszaubers ab. Ein mageres Ergebnis nach dem so klugen Konwitschny-Parsifal zuvor.

Vorstellung am 8. Julium 17 Uhr live im Netz (www.staatsoper.tv) und im Rahmen von „Oper für alle“ auf dem Max-Joseph-Platz. Aufführungen bis 31. Juli und im März 2019 – www.staatsoper.de
Bilder: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl

 

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