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Die Philharmoniker und ihre Wahlwiener

LUCERNE FESTIVAL / WIENER PHILHARMONIKER

11/09/17 Kaum haben die Wiener Philharmoniker in Salzburg ihre Zelte abgebrochen, um sich in Wien unter anderem wieder ihrer Aufgabe als Staatsopernorchester zu widmen, sind sie schon wieder auf Reisen. Zumindest ein Teil von ihnen. Mit zwei Konzerten der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Michael Tilson Thomas und Daniel Harding endete das Lucerne Festival.

VON OLIVER SCHNEIDER

Nach einem Abstecher nach Grafenegg ging es für die Wiener Philharmoniker traditionell zu den Proms nach London und am Wochenende ins mittlerweile herbstliche Luzern. Im Gepäck eine von Daniel Harding dirigierte Sechste Mahler, die in Luzern im Anschluss an die von Erich Leinsdorf arrangierte Suite aus Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ erklang. Ein überlanges Programm, bei dem man sich fragen musste, ob nicht die Sechste bereits ausreichend spielerisch – für das Orchester – und emotional fordernd – für die Besucher – ist. Harding würde man sich in jedem Fall öfter am Pult der Philharmoniker wünschen, auch in Wien oder Salzburg.

Im zweiten Konzert standen Werke von Johannes Brahms, Ludwig van Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart unter der Leitung von Michael Tilson Thomas auf dem Programm. Von drei Wahlwienern also – wie Mahler ja auch, nur Debussy schert aus der Reihe aus –, so dass sich der Kreis zum heurigen Festivalthema „Identität“ wieder schloss. Gespielt wurde das Programm Freitag in London und Samstag in Luzern.

Nach dem ersten Teil ging man jedoch enttäuscht in die Pause, nachdem sich die Philharmoniker in Salzburg in allen Konzerten und in den Opern in Hochform präsentiert hatten. Lag es an Michael Tilson Thomas? Wie anders hat man ihn doch in Luzern in Erinnerung, wo er zuletzt mit seinem eigenen Orchester aus San Francisco vor zwei Jahren zu Gast war. Brahms‘ Haydn-Variationen zogen sich wie Gummi. Die Bläser gingen im cremigen Streicher-Schönklang völlig unter, so dass die unterschiedlichen Charaktere der acht Variationen viel zu wenig herausstachen, sieht man von den Tempi ab.

Emanuel Ax, der amerikanische Pianist mit ukrainisch-polnischen Wurzeln, und Tilson Thomas waren sich im nachfolgenden, seltener gespielten Klavierkonzert Es-Dur KV 449 von Mozart mit ihrem romantischen Ansatz einig. Das hatte nicht nur im Andantino seinen Reiz, sondern verlieh auch den Ecksätzen eine stark lyrische Note. Der barocken Motorik des Rondo-Finales nahm Ax freilich so ein Stück weit das Brillante und drückte ihm stattdessen den Stempel des Abgeklärten auf. Dass die Orchesterbegleitung in einem Mozart-Klavierkonzert sprechender sein kann, dafür gibt es auch auf modernen Instrumenten gute Beispiele. Und normalerweise entsteht zwischen Solist und Orchester ein lebhafter Dialog. In Luzern war weder das eine oder das andere der Fall.

Wie ausgewechselt war das Orchester bei Beethovens Siebter nach der Pause. Hier kam auch die deutsche Aufstellung des Orchesters – mit den ersten Violinen links und den zweiten rechts vom Dirigenten – zur Geltung. Im aufgefächerten Klang konnte sich die sehr gute Holzbläsergruppe profilieren, auch die Mittelstimmen konnten Akzente setzen. Tilson Thomas wählte zügig, ausgewogene Tempi, was dem Allegretto als vermeintlich langsamen Satz zugutekam. Prächtig und vital liess er das fünfteilige Scherzo musizieren, bevor das finale Allegro mit ungebremster, wirbelnder Wucht den ein oder anderen Besucher doch noch zu Standing Ovation hinriss. Hätte nicht das ganze Konzert so sein können?

Mit den Konzerten der Wiener Philharmoniker ist das Lucerne Festival zu Ende gegangen. Es sei ein positiver Sommer gewesen, wie es in einer Aussendung heisst. Die Auslastung lag bei 91 Prozent in den 82 verkauften Konzerten. Zusätzlich wurden 43 Gratis-Veranstaltungen angeboten – das bieten die Salzburger Festspiele nicht. Blickt man auf das Gesamtangebot mit Sinfonie- und Kammerkonzerten, Kurz- und Nachtkonzerten, der Festival Academy, dem breiten Schwerpunkt in der zeitgenössischen Musik muss man sagen, dass Luzern jedem Interessierten die Möglichkeit bietet, in irgendeiner Form – und auch für wenig Geld oder umsonst – dabei zu sein. Es müssen ja nicht immer das Lucerne Festival Orchestra, die Berliner oder die Wiener Philharmoniker sein. Und bei der Neuen Musik behält Luzern gegenüber Salzburg klar die Nase vorn. Michael Haefliger, dessen Vertrag in den letzten Tagen um weitere fünf Jahre bis 2025 verlängert wurde, hat es geschafft, Luzern trotz breiter Konkurrenz in der Schweiz als Magnet weiter zu stärken. Das Festivalbudget beträgt heute rund 21 Millionen Euro und ist zu 95 Prozent eigenfinanziert. Und die Ideen für die Zukunft – Haefliger erwähnte einmal mehr das Musiktheater und die Digitalisierung des Festivals – gehen nicht aus.

Lucerne Festival – www.lucernefestival.ch
  • Bild: Lucerne Festival / Art Streiber

 

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