Drei bayerische Maß im kleinen Finger
BAYERISCHE LANDESAUSSTELLUNG ALDERSBACH / BIER UND BAYERN
07/10/16 Bier ist nicht nur ein besonderer Saft, sondern, wie schon Paracelsus formulierte, „eine göttliche Medizin“. Als Arzt hat er es sogar zum Säubern von Wunden benützt, weil es damals wie heute primär nur aus Gerste, Hopfen und Wasser besteht. Klinisch reiner geht fast nicht.
Von Horst Reischenböck
Reinheitsgebote gab es zwar an verschiedenen Orten schon vorher. Das immer noch gültige wurde jedoch im oberösterreichischen Innviertel, das damals noch zu Bayern gehörte, formuliert und flächendeckend einem ganzen Land verordnet. 1516 wurde es in der Residenz Landshut erlassen. Dieses erste bayerische Lebensmittelgesetz ist also fünfhundert Jahre alt. Anlass zur Landesausstellung, auch hinsichtlich der Gleichung „Bier und Bayern“, im dazu renovierten Kloster Aldersbach nahe Passau. Ein Herbst-Ausflug (bis 30.Oktober) lohnt sich.
Bayern ist Bier: diese Formel hat allerdings erst seit der „kleinen Eiszeit“ Berechtigung. Damals wurden alle Weinreben vernichtet. Zuvor war Bayern ein Weinland gewesen. Um das Jahr 1900 kam jedes zehnte weltweit getrunkene Bier aus unserem Nachbarland. Der Pro-Kopf-Konsum lag damals bei 246 Litern – heute sind's in Bayern 145, im restlichen Deutschland (das damit hinter Tschechien und Österreich nur mehr an dritter Stelle rangiert) bloß 107 Liter.
Dies und noch viel mehr schildert die diesjährige Landesausstellung im ehemaligen Zisterzienserkloster Aldersbach nahe Passau auf gut 1.200 Quadratmetern. Es wurde wie so viele Klöster kurz nach 1800 säkularisiert. Der mit der Aufhebung betreute Johann Adam Freiherr von Aretin sicherte sich und seinen Nachkommen dann vorausschauend die Klosterbrauerei Aldersbach. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Die Auflösung traf damals auch die – wieder aktivierte – Benediktinerabtei Weltenburg bei Kelheim an der Donauenge. Mit dem Gründungsdatum 1050 gilt Weltenburg als die älteste Klosterbrauerei. In Aldersbach wie in Weltenburg gestalteten übrigens die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam das Gotteshaus und führten die schon von Fischer von Erlach in Salzburgs Kollegienkirche genutzte „Lichtinstallation“ hinter dem Hochalter phänomenal eindrucksvoll weiter. Auch das ist ein guter Grund, das doch in der „Einschicht“ gelegene Aldersbach zu besuchen.
Die Ausstellung wartet mit einer fast überbordenden Fülle an Details auf. So kann man beispielsweise den Nachguss des vorderen Glieds vom kleinen Finger der Bavaria-Statue Ludwig Schwanthalers (des Schöpfers von Salzburgs Mozartstatue), bestaunen. Es ist ein Trinkgefäß. König Ludwig I. soll daraus anlässlich der Enthüllung der „Bavaria“ getrunken haben, dort, wo heute noch immer das Oktoberfest stattfindet. Fassungsvermögen: drei bayerische Maß! Das waren mehr als drei Liter. Ein bei Straubing gefunden tönerner Trinkbecher aus dem 6. Jahrhundert wurde spaßeshalber als „Urmaßkrug“ bezeichnet. Bis zur Eingliederung ins Deutsche Reich war die Bayerische Maß die gültige Maßeinheit für den Gerstensaft. Später gab es dann Proteste, weil weniger Menge gleiches Geld kostete. Der Anstieg des Bierpreises führte später sogar in Dorfen, nahe Münchens Flughafen, zu kriegerischem Aufstand.
Die Bayerische Landesordnung von 1516 mit dem Reinheitsgebot ist natürlich im Original zu bewundern. Für die Brauer haben die Silberschmiede in Augsburg einen prunkvollen Willkomm-Pokal geschaffen, der vom fiktiven Gambrinus bekrönt wird. Einen König Gambrinus, schon gar einen Heiligen gleichen Namen hat es ja nie gegeben. Einer von vielen Bier-Patronen ist der heilige Florian. Erstens wegen des zur Biererzeugung nötigen Wassers, aber auch zu Löschzwecken. Ging es doch bei der Herstellung ziemlich heiß zu, was auch die in die Ausstellung einbezogene historische Brauerei vermittelt. Dort wird auch erläutert, was ein „Esel“ in der Darre zu tun hatte.
Die Arbeitsbedingungen der Bierbrauer waren durchaus schweißtreibend und nicht angenehm. Was Bier für Auswirkungen hat aufs Dienstpersonal in Wirtshäusern, führt die Kabarettistin Luise Kinseher filmisch vor Augen. Lisl Karlstadt und Karl Valentin hingegen versuchten schon in einem (stummen) Werbefilm, Gästen das Biertrinken schmackhaft zu machen versuchten. Kollege Hannes Ringlstetter wiederum führt im Audio-Guide in Mundart durch die Schau. Ein Hör-Genuss, auf den man als Besucher nicht verzichtet sollte. Wer weiß denn schon, dass Pilsen sein Bier einem bayerischen Brauer verdankt? Und, was die grenzüberschreitenden Beziehungen angeht: Schon Kaiser Franz Joseph bestand beim zweiten Frühstück auf ein Glas Spatenbräu…
Zur Ausstellung gibt es zu wohlfeilen 24 Euro einen schönen Katalog und, eigens gebraut, ein Pforten- und ein Konvent-Bier mit Wasser aus einem Dutzend bayerischer Klöster unter Verwendung von fünfzehn Hopfensorten.