Textilien aus über einem halben Jahrtausend
KÄRNTEN / FASTENTÜCHER
10/02/16 Kein anderes Bundesland hat eine so lebendige und vor allem von der Spätgotok bis in die unmittelbare Jetztzeit reichende Fastenuch-Tradition als in Kärnten. Mehr als 90 solche Tücher gibt es – Tendenz steigend.
Von Wolfgang Stern
Ins Freiburger Münster müsste man fahren, um das wirklich größte alte Fastentuch zu sehen: es misst 10,14 mal 12,25 Meter und stammt aus dem Jahr 1612. Jenes im Gurker Dom ist nur wenig kleiner (9 mal 9 Meter, dafür fast ein halbes Jahrhundert älter (1458). Konrad von Friesach ist sein Schöpfer.
Um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend ist der Brauch aufgekommen, in der vierzigtägigen Fastenzeit Altäre zu verhängen. Es geht dabei – sehr verkürzt gesagt – um ein „Fasten für die Augen“. Waren es erst schmucklose Tücher, so entwickelten sich im Laufe der Zeit richtige Kunstwerke, eine Art mobile Armenbibel. Nur in Kärnten findet man seit dem Frühbarock eine besondere Gestaltung: Kunsthistoriker sprchen von „Zentraltyp“: Um eine Kreuzigungsdarstellung gruppieren sich Szenen aus der Passion, oft in Form von Medaillons.Oft steht gar nicht das Leiden Christi im Mittelpunkt, sondern man hat alttestamentarische Szenen, die das Heilsgeschehen quasi vorbedingen, einbezogen.
Es ist diesen alten Tüchern nicht immer gut gegangen: Nicht selten wurden sie irgendwo auf Dachböden gelagert, auf eine Weise, die Konservatoren heute die Haare aufstellen lassen. Manche Fastentücher haben darunter teils schwer gelitten. In Pisweg hat man erst 2001auf dem Dachboden der Kirche zwei Fastentücher entdeckt, die aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts stammen. Auch sie werden jetzt nach umfassender Restaurierung wieder aufgezogen.
Die Pfarrkirche in Millstatt besitzt ein Kleinod aus dem Jahre 1593. Ein gewisser Oswald Kreusel hat das mit 41 Szenen ausgestattete Werk geschaffen. Alte Tücher gibt es u.a. in Bad St. Leonhard (1520), Haimburg (1504), Kraßnitz (1663), Metnitz (1760) und Sternberg (1629). Die Kirche im Bild links, wo gleich alle drei Altäre verhängt sind, ist St. Peter bei Taggenbrunn.
Die Diözese Gurk-Klagenfurt hält auf ihrer Website viel informatives Material bereit. Da sieht man etwa bei der chronologischen Auflistung, dass die Fastentuch-Tradition dort beinah ungebrochen ist: Spätgotik und Barock sind vertreten, aber viele Tücher stammen aus dem 19. Jahrhundert – und fast gleich viele, nämlich 59 (!), sind in den vergangenen 25 Jahren dazu gekommen. Aus der Lücke zwischen ungefähr 1930 und 1980 kann man ablesen, dass es um die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht gut stand um das Verständnis für kirchliche Schaubräuche, zu denen man das Aufhängen der Fastentücher wohl zählen darf.
Jetzt aber kommen fast jedes Jahr neue Fastentücher dazu, in den Kirchen des Bundeslandes werden über hundert künstlerisch oder kunsthandwerklich gestaltete Tücher hochgezogen. Auch namhafte Künstler (etwa Valentin Oman, der 2006 ein Fastentuch für die Pfarrkirche Latschach am Faakersee schuf) stellen sich immer wieder in den Dienst dieser Sache, aber auch Frauen- oder andere Interessensgruppen, auch Schulklassen. Gestickte und bemalte Tücher sind anzutreffen und auch Batik.
Von Ferdinand Penker stammt das Fastentuch in der Stadtpfarrkirche von Strassburg (vor Gurk). Seit 2009 hängt hier ein dem traditionellen Feldertypus folgendes 12 mal 6 Meter großes Tuch, mit Kohle und Zinnoberpigmenten und 99 Bildern. Karl Bauer schuf ein sehenswertes Tuch 1983 für Klagenfurt St. Peter. Peter Brandstätter hat 2000 ein wunderbares Tuch für die Kirche Maria Bichl bei Lendorf geschaffen. Die Reihe der neuen Tücher setzt sich fort. Um nur einige Beispiel zu erwähnen: Bad Bleiberg (2011), Kühnsdorf (2002), Klagenfurt-Annabichl (1996), Guttaring (2012), Eisenkappl (2013).
In nahezu allen Ecken dieses Bundeslands kann man fündig werden, eine Tagesfahrt in eine bestimmte Kärntner Region kann also zu einem Erlebnis voller Überraschungen werden. Auf der Homepage der Diözese kann man sich ausführlich informieren, ehe man aufbricht – und das empfiehlt sich auch, weil es nicht immer leicht ist, in diese Kirchen auch hinein zu kommen. Viele sind aus Diebstahlsgründen versperrt. Und die Suche nach Kirchen in Dorfweilern ist auch nicht zu unterschätzen.
Aber in Kärnten weiß man um diese Tradition und ist entsprechend gut organisiert. Roland Stadler, für Tourismuspastoral zuständig, kann in jeder Situation weiterhelfen