Auf Wein gebaut
REISEKULTUR / WEIN / STEPHANSDOM
18/11/14 Das waren Zeiten: Nach einem Bericht des Humanisten Cuspinianus war der Wiener Wein des Jahres 1450 derart sauer, dass niemand ihn trinken wollte. So hat man damit beim Bau des Stephansdomes Kalk angerührt.
Kaiser Friederich III. verfügte, dass der „ungenießbare Reifenbeißer“ nicht weggeschüttet werden durfte, sondern dazu dienen sollte, den für das Fundament erforderlichen Kalk abzulöschen. Speziell ging es dabei um das Fundament des Nordturms bzw. „Adlerturms“ (wo jetzt die Pummerin hängt). Dass dieser Turm unvollendet geblieben ist, liegt freilich nicht an der Weinsäure...
Dieser Tage bringt man den Stephansdom und den Wein wieder zusammen. Wieder in Sachen Dombauhütte. Diesmal steckt aber kein Misstrauen gegen aktuelle Weinerzeugnisse im Lande dahinter, ganz im Gegenteil. Es geht darum. Geld für Renovierungsarbeiten aufzubringen. Jährlich sind immerhin rund 2,2 Millionen Euro in den „Steffl“ zu investieren.
„Stephansdomweine“: Der Rebensaft zeichne sich durch „Trinkvergnügen und Gebietstypizität“ aus, so die Ankündigung. Fritz Wieninger aus Wien-Stammersdorf steuert einen Grünen Veltliner bei, Paul Lehrner aus Horitschon einen Blaufränkischen vom Neckenmarkter Hochberg aus dem Jahr 2012 und Kurt Feiler aus Rust am Neusiedler See eine Spätlese von 2011. Pro verkaufter Bouteille kommt ein Euro der Erhaltung des Wiener Wahrzeichens zugute.
Der Stephansdom beziehungsweise sein Namensgeber, der Erzmärtyrer Stephanus (der erste Märtyrer der Geschichte, wenn man von den quasi aus der christlichen Zeitrechnung gefallenen Unschuldigen Kindern absieht) ist für eine Reihe von Zimelien zur Weingeschichte gut: Einst ist in den Gotteshäusern am Stephanitag (26. Dezember) der Stephanswein gesegnet worden. Dazu legte man einen Stein in einen Kelch und übergoss ihn mit Rotwein als Symbol für das vergossene Märtyrerblut des heiligen Stephanus. Dieser gesegnete Wein wurde bei verschiedenen Krankheiten als Heilmittel verwendet.
Wenn Winzer heute von „Stefaniwein“ reden, meinen sie aber etwas ganz anderes, nämlich die Stefanilese. Dieser Ausdruck ist im Weingesetzt festgeschrieben und meint Trauben, die eben am 26. Dezember geerntet werden. Es geht also um Eiswein oder eine Trockenbeerenauslese.
Weniger edlen Saft meint die „Bieringerin“, eine kleinere Glocke im nördlichen Heidenturm des Stephansdomes. Mit dieser „Bierglocke“, allein geläut, tat man früher kund: Schluss mit lustig, ende der Alkoholausschank.Solche Bier- bzw. Weinglocken gab es nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Städten. Die Wiener Bierglocke, an deren Innenseite sich die handschriftliche Aufschrift „Bieringerin“ befindet, läutet gemeinsam mit den anderen Glocken des Heidenturms zur sonntäglichen Vesper. Trostreich für Genießer des Rebensaftes: Allein ist ihr Ton heutzutage nie mehr zu vernehmen. (KAP/dpk-krie)