Der Käse zur Serie – ein Verkaufshit
REISEKULTUR / FILM IM SALZKAMMERGUT / GMUNDEN
04/09/12 „Kein Hotel“. Die Botschaft ist eindeutig. Trotzdem stehen immer wieder Touristen auf der Matte und wollen partout ein Zimmer im „Schlosshotel Orth“ – welches aber nur in der gleichnamigen Fernsehserie Gäste beherbergt. Im Seeschloss Ort auf der winzigen Traunsee-Insel vor Gmunden kann man stilvoll heiraten und/oder speisen. Aber nicht nächtigen.
Von Heidemarie Klabacher
2005 ist die letzte Staffel der Fernsehserie „Schlosshotel Orth“ abgedreht worden – und noch immer profitieren Gmunden und Umgebung von Menschen, die auf den Spuren von Wenzel Hofer & Co pilgern und alle Drehorte besuchen wollen.
Von 1995 bis 2005 sind 144 Folgen gedreht worden. Tatsächlich habe es einige Zeit gedauert, bis die Verantwortlichen in Tourismus und Wirtschaft gemerkt hätten, welch goldenes Ei ihnen da ins gemachte Nest gelegt worden ist. Er sei, erzählt Andreas Murray, 1999 zum Start der vierten Staffel zum Tourismusdirektor der Ferienregion Traunsee bestellt worden, „mit dem Auftrag, die Serie zu vermarkten“.
Seither habe man die Serie „fast extrem ausgebeutet“, so Murray. Es gibt Schlosshotel Orth Weine, Käse, Torten und Kugeln - ganz zu schweigen von Kappe oder Regenschirm und einem reich bebilderten Buch zur TV-Serie mit Inhaltsangaben und Personaldetails zu allen Folgen. Eine Million Stück werde pro Jahr von der in dunkle Schokolade gehüllten mit Orangencreme gefüllten „Schlosshotel Orth-Kugel“ verkauft. Auch der „Käse zur Serie“ sei für die Molkerei Gmundner Milch als „presenting sponsor“ ein Verkaufshit, so Andreas Murray. Product placements hätten sich auch für Gmundner Keramik bezahlt gemacht: Jedes Jahr habe Gmundner Keramik ein neues Dekor in der Serie vorgestellt – „und die Gäste haben genau dieses verlangt“.
Selbstverständlich gibt es einen Schlosshotel Orth-Themenweg auf dem alle Spielstätten in der Stadt Gmunden und in der Umgebung mit grünen Tafeln markiert sind: „Originalschauplatz der Fernsehserie Schlosshotel Orth – Seeschloss Ort – Schlosshotel Orth mit Seeterrasse und Innenhof, Hauskapelle der Familie Hofer, sowie Wenzel Hofers Büro“ steht auf der Tafel an der hölzernen Brücke.
Da hat man es Schwarz auf Weiß bzw. Gold auf Grün: Das historische Schloss – eines der ältesten Gebäude des Salzkammergutes, urkundlich erwähnt erstmals im Jahre 909 – schreibt sich ohne das „h“ des Fernsehhotels. Fünfzig solcher ovaler Tafeln sind seit 2001 im ganzen Salzkammergut aufgestellt worden. Dazu wurde selbstverständlich ein Gesamtpaket „Auf den Spuren der TV Serie Schlosshotel Orth“ als Tagestour oder mit Nächtigung geschnürt.
Alle Innenaufnahmen wurden in einem eigenen „Schlosshotel Orth-Studio“ in einer Lagerhalle in Gmunden gedreht, welches bis vor ein paar Jahren ebenfalls im Zuge von Führungen besucht werden konnte, inzwischen aber aufgelassen worden ist.
Nicht nur Gäste, die unbedingt im Schlosshotel Orth einchecken wollen, tauchen bis heute in der Touristinformation auf. Es hat auch Serien-Freaks gegeben, die unbedingt - und zwar sofort - als Komparsen mitwirken wollten. Für diese Enthusiasten hat man den Schlosshotel Orth-Filmworkshop entwickelt, bei dem Interessierte als Drehbuchschreiber, Schauspieler oder Techniker teilnehmen können. Auch dafür gebe es bis heute Anfragen, erzählt Tourismusdirektor Murray. Von 1995 bis 2005 sind 144 Folgen gedreht worden. Diskutiert werde derzeit über ein mögliches Revival, erzählt Andreas Murray, „zwanzig Jahre nach Drehbeginn und zehn Jahre nach Drehschluss“ wäre ein schöner Neubeginn. ORF und ZDF sind erst noch zu überzeugen. „Ob aus einem neuen Film wieder eine Serie wird, wird man sehen“.
Die Stadt sei von Anfang an „total“ hinter dem Serienprojekt gestanden, die Bevölkerung sei eingebunden und informiert worden. Und viele Gmundner waren als Komparsen regelmäßig dabei, wie etwa Walter Seinost, der als Arbeits-Komparse etwa für die Absperrung der Holzbrücke oder den berühmten roten Teppich zuständig war. „Wenn der nass geregnet war, hat allein schon sein Gewicht Probleme bereitet.“ Der rote Teppich wird bis heute vor Schimmel und anderem Unheil bewahrt – und kann daher etwa für den Aufmarsch bei Hochzeiten gemietet werden. Auch die Schauspieler seien in den langen Drehperioden von März bis Oktober in Gmunden geradezu heimisch geworden.
Überbleibsel einer anderen namhaften Produktion ist etwa die Original-Filmfassade der "Bäckerei Bammer" in Gmunden ganz in der Nähe der Kirche, hinter der sich, zum Bedauern von Touristikern und Touristen, leider keine Bäckerei befindet: Das war ein Drehort in den von ORF und ARD koproduzierten "Lilly Schönauer"-Filmen.
"Schlosshotel Orth" kommt Gmunden nicht nur in Sachen Marketing und Vermarktung zu Gute: „Gmunden ist ‚film-affin’, wir haben viel Erfahrung. Das wissen viele Produzenten, daher haben wir auch viele Anfragen.“ Manchmal müsse die Stadt für den Zuschlag eine Produktion „mitfinanzieren“. Dass sich die Sache trotzdem lohnt, weiß man inzwischen. Der Werbewert der Langzeit-Serie ist in Gästebefragungen und Studien seit 1997 kreuz und quer erhoben worden: Die Zahl der Tagestouristen ist seit 1995 um sechzig Prozent auf 250.000 Gäste pro Tag angestiegen, der Umsatz durch Tagestourismus, Nächtigungstourismus und Produktion um 30 Prozent auf 17 Millionen. Ein Drittel der Nächtigungsgäste komme allein aufgrund der Serie… Auch der Werbewert im Fernsehen sei enorm, so Tourismusdirektor Andreas Murray, für eine Folge liege er bei 1,5 Millionen Euro: „Das ergibt bei 144 Folgen einen Werbewert vom 216 Millionen Euro.“
Land Oberrösterreich, die Ferienregion Traunsee, die Stadtgemeinde Gmunden und Wirtschaftsbetriebe haben gemeinsam 15 Prozent der Produktionskosten (in Summe eine Million) übernommen, die laut Vertrag wieder größtenteils in der Region ausgegeben werden sollten - und eine Wertschöpfung von 1,9 Millionen Euro erzielten. Ein wichtiger Vertragspunkt: Alle Orte werden mit Originalnamen genannt. (Das ist nicht selbstverständlich. In Faistenau etwa ist man nicht ganz glücklich darüber, dass man als „Dorf Ilm“ zu Serien-Ehren gekommen ist. Davon wird noch die Rede sein.)
„Schlosshotel Orth“ ist natürlich nicht die erste Produktion gewesen, die Gmunden und den Traunsee in den Blick genommen hat. Drei Seiten lang ist die Liste mit den TV-Serien und Filmen, die allein seit 1975 am Traunsee und im Salzkammergut produziert worden sind. Gerne hat man es, wenn „gefällige“ Filme in der Region entstehen, dann läßt sich auch das Geld auftreiben. „Ich kann keinen Horrorfilm promoten“, sagt Andreas Murray – und nennt im gleichen Atemzug die große Ausnahme: „In drei Tagen bist du tot“. Der erste Teil des Horrorklassikers von Andreas Prochaska ist 2005 zur Gänze in Ebensee (wo wie Traun in den Traunsee fließt) gedreht worden, der zweite gut zur Hälfte, der dritte dann in Tirol. „Prochaska hat es gefallen, dass der See auch bedrohlich und mystisch wirken kann. Und auch nach Ebensee sind Film-Fans gekommen…“ (Wird fortgesetzt)