Zauberlehrlinge ihres Meisters
SOLITÄR / HUGO WOLF FESTIVAL
10/03/10 „Ich habe mich oft gebücket, ach, wohl ein tausendmal, und ihn ans Herz gedrücket, wie hundert tausendmal!“ Ein kleiner „Blumengruß“ - und Sophie Mitterhuber hatte ihr Publikum im Frühlingssturm erobert.Von Heidemarie Klabacher
Da hat einfach alles gestimmt: Das „Heimspiel“ der Liedklasse Wolfgang Holzmair beim „Hugo Wolf Festival“ der vier Kunstuniversitäten am Dienstag (9.3.) im Solitär war ein Triumph ebenso klassischer wie zeitgemäßer Liedinterpretation.
Die Lieder passten zueinander und zu ihren Interpreten, vermittelten Stimmungen, erzählten Geschichten vom Auf und Ab des Lebens: kein „Absingen“ von Liedgruppen, sondern gesungenes Erzählen. Dafür steht natürlich Wolfgang Holzmair - Initiator des Gesamtprojektes und Liedlehrer dieser jungen Künstler. „Die Liebe zum Gedicht“, die Holzmair von den Interpreten - aber auch von den Zuhörern - fordert, machten die drei jungen Leute auf je ganz eigene Weise spürbar. Goethe-Gedichte standen an diesem Abend im Mittelpunkt: von duftig, lieblich und heiter über deftig und heftig bis hin jenseitig tragisch reichen die Emotionen in diesen Meisterwerken.
Eine Art heiteren Frühlingsreigen führte die junge Sopranistin Sophie Mitterhuber (Jahrgang 1984) an. Mit perfektem Stimmsitz, elegantem Lagenausgleich, präziser Aussprache und - nicht unwichtig in dem Geschäft - mit einer überzeugenden „Performance“: in diesem Fall ist das eine liebenswürdig charmante, ein klein wenig in sich gekehrte Natürlichkeit. Als Barbarina im „Figaro“ des Landestheaters hat man die junge Sängerin ja bereits von ihrer temperamentvollen, schnippischen Seite kennen und schätzen lernen dürfen. Dass sie gestalterisch auch einer großen weiten Geste fähig ist, demonstrierte sie eindrücklich mit dem Hymnus „Ganymed“, in dem sie tatsächlich einen unwiderstehlichen Sog „hinauf“ entwickelte.
Der gleichaltrige Bariton Andrè Schuen gab mit einer „Mordspräsenz“ und Papageno-artiger Deftigkeit Einblick in das Treiben des faulen Schäfers (ein echter Siebenschläfer - gähn) oder des muntren des „Rattenfängers“ (Und wären Wiesel mit im Spiele - er kriegt sie alle). Von welchem stimmlichen und gestalterischen Kaliber der junge Künstler aber tatsächlich ist, zeigte er dann mit den Strophen des Jünglings Hatem aus dem „Westöstlichen Divan“ (seine textdeutlich und strahlend hell singende Suleika war Sophie Mitterhuber). Und vor allem mit den Liedern des Harfenspielers aus dem „Wilhelm Meister“: „Liederabende, wie es sie draußen im Konzertleben auch nicht besser gibt“, hat Wolfgang Holzmair versprochen. Um „draußen im Konzertbetrieb“ eine bewegendere und mitreißendere Interpretation dieser schwerblütigen Miniaturtragödien zu finden, müsste man sehr hoch oben Liedhimmel und auf Festspielniveau zu suchen anfangen.
Die „Lieder der Mignon“ hat, im Wechsel mit den Harfner-Liedern, die Mezzosopranistin Eva Leitner gesungen: mit dem Gestus einer Diva, mit der technischen Präzision einer Analytikerin und dem leidenschaftlichen Ausdruck einer Tragödin. Auch diese junge Sängerin (Jahrgang 1974) gebietet über eine wunderbare Stimme, die sie mit größter Geschmeidigkeit über alle Lagen zu führen weiß. Sie weiß außerdem, dass Lautstärke nur wohldosiert zu echter Wirkung kommt.
Auch Eva Leitner präsentierte sich mit einer kleinen Liedgruppe, perfekt ausgewählt zum weichen und doch so klangvollen Charakter ihrer Stimme. Allein die Wahl des Liedes „Die Bekehrte“ war ein Meisterstreich: Wie sonst Gretchen am Spinnrad singt da eine Nymphe oder Dryade von ihrer verlorenen Ruhe: „Meine Ruh' ist nun verloren, Meine Freude floh davon, Und ich höre vor meinen Ohren Immer nur den alten Ton: So la la! Le ralla!“ Allein dieses sehnsüchtige „So la la! Le ralla“ wird noch lange in Erinnerung bleiben.