asdf
 

Musizieren mit Herz und Kopf

CAMERATA / ALEXANDER JANICZEK

10/03/13 Wenn Alexander Janiczek die Camerata Salzburg leitet, dann schweben alle guten Geister aus der legendären Ära Sándor Véghs über dem Konzertmeisterpult. So geschah es wieder im jüngsten Abonnementkonzert an diesem Wochenende (8./10.3.)

Von Paul Kornbeck

Nicht, dass Janiczek, mittlerweile in Großbritannien daheim und Professor an der Londoner Guildhall School, den verehrten Meister imitieren würde. Da liegt doch zu viel Wissen um Originalklang und eigener Forscherdrang dazwischen. Aber das Wesentliche, jenes einzigartige Musizieren mit Herz und Kopf, findet bei ihm wie selbstverständlich statt. Mag sein, dass Joseph Haydns so gar nicht lustige „Abschiedssymphonie“ rauer und expressiver klingen kann, Janiczek und das Orchester dringen doch tief in die Geheimnisse dieser nach wie vor rätselhaften Musik ein. Auch ohne Naturhörner und Darmsaiten, aber mit den feinen Cembaloklängen Florian Birsaks, die lediglich im gefühlvollen Adagio schweigen müssen. Schön „inszeniert“ wirkte die auch mit dem Licht spielende Zeremonie des Abschieds im Finale, bei der am Ende Janiczek und sein Gegenüber von den 2. Violinen, Michaela Girardi, im Dunkeln an zart beleuchteten Pulten bei den Ausgängen die Musik versickern ließen – während die letzte abgehende Bratschistin, Iris Juda, verstummt und noch wie traumverloren am Podium weilte. So ähnlich könnte es anno 1772 in Esterháza ja wirklich gewesen sein. Damals natürlich im Kerzenschein und nur von Männern gespielt.

Eigentlich sollte man alle Musikerinnen und Musiker dieses Abends aufzählen, so sehr wurde das Kammerorchester zum großen Kammerensemble. Auch in Bachs E-Dur-Violinkonzert, welches Alexander Janiczek mit reinem, klarem und gottlob nie aseptischem Ton interpretierte. Der Solist hat ja sein Programm selbst zusammengestellt, mit kluger Tonarten-Dramaturgie, von Haydns fis-Moll zum cis-Moll des Bach-Adagios und Beethovens Streichquartett op. 131 in derselben Grundtonart. Welches zum bejubelten Höhepunkt wurde.

Die Erinnerung an Véghs wundersame chorische Aufführung von Schuberts „Rosamunden“-Quartett ist wohl bei allen, die dabei gewesen sind, noch wach. Ich erinnere mich ebenso gern an Leonard Bernsteins klangmächtige, leidenschaftliche Lesart Beethovens mit mindestens 60 philharmonischen Herren. So, auf den Spuren von Mahler und Mitropoulos, pflegten chorische Aufführungen von Kammermusik früher meistens zu sein, nicht immer so überzeugend wie im Falle dieser nachschöpferisch Begabten. Janiczek geht einen anderen Weg: einen, der von Végh bestimmt ist, aber zielgenau ins Heute führt. Größtmögliche Transparenz vermitteln die 23 Musizierenden, mit edlem, jedoch emotional aufgeladenem Streicherklang. So entstand eine in modernem Sinn durchaus symphonische Tondichtung, nahezu pausenlos, aus tief empfundener Kontemplation zu trotzigem „Tanz der Welt“ führend, wie Wagner das Finale bezeichnet hat.

Dass Beethovens immer wieder neu zu hörendes Stück manch in diesen Tagen gehörte Neue ziemlich alt wirken lässt – dieser Eindruck ist leider nicht zu vermeiden. Dennoch darf man sich vom nächsten Abo-Zyklus der Camerata ein wenig Musik des 20. und 21. Jahrhunderts erhoffen. Beethoven war ja seinerzeit ein Avantgardist, dessen phänomenale Erkundungen der Zukunft bis hin zum geräuschhaften Am-Steg-Spielen vielen seiner Zeitgenossen nicht gefallen haben.

Bild: Camerata Salzburg

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014