Hoffnung und Zweifel im Taktabstand
KULTURVEREINIGUNG / MOZARTEUMORCHESTER
07/02/13 Zwischen tiefem Grauen und lichter Erlösungshoffnung liegt im Verdi-Requiem oft nur ein Takt. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Alexander Shelley brachte diese Achterbahnfahrt der Armen Seelen zu einer packenden Aufführung. Der Salzburger Bachchor - diesmal in Bataillons-Stärke angetreten – stand für die Menge der himmlischen und höllischen Heerscharen.
Von Heidemarie Klabacher
Die Schrecken des Himmels und der Hölle könnten nicht spürbarer werden, als in diesem ständigen Wechsel der Extreme. Das Mozarteumorchester zeigte sich – wenige Tage nach Auftritten bei Mozartwoche mit ihren auch nicht geringen Anforderungen – wieder einmal in Bestform. Präzision und Klarheit im Streicherklang, bedrohlich dramatisch gaben sich die Blechbläser, lieblich versöhnlich (sofern sie nicht höllisch zu pfeifen hatten) die Holzbläser: Technisch perfekt sind sie alle miteinander.
Auffallend in der insgesamt mitreißenden Aufführung bei der Kulturvereinigung im Großen Festspielhaus war, das der Dirigent Alexander Shelley die dramatischen Teile wohl mit größter Energie und Verve vorüberdonnern, in den lyrisch sängerischen Passagen das Spannungsniveau aber beinahe zu sehr sinken ließ. So manche der elegischen Linien hätte man sich doch spannungsvoller, pulsierender gewünscht. Der bewegende Gesamteindruck der vielfarbig geschilderten Episoden zwischen Tod und Verzweiflung und Hoffnung und Erlösung hat dennoch nicht gelitten.
In Bestform war der Salzburger Bachchor, der in diesem Werk besonders von seiner „starken“ Seite gefordert ist, aber auch mit feinem Pianissimo und überirdischem Glanz in den hohen Sopranpassagen aufhorchen ließ.
Die Sopranistin Evelina Dobraceva setzte den Solisten-Ensembles oft ihre Glanzlichter auf, hatte ihren großen Auftritt aber, „werkgemäß“, erst in der Schlussnummer: Das von der Solistin beschwörend gebetsartig auf einen Ton rezitierte „Libera me, Domine“, das vom Chor aufgegriffen wird, wird zunächst noch einmal von allen Schreckensvisionen des Bösen in Forte und Fortissimo (und sogar in Fugenform) hinweggefegt. Aber der Lichtstrahl der Sopranstimme hat das Dunkel einmal durchbrochen – und durchbricht es wieder, siegreich ersterbend im Pianissimo.
Die allerschönste Stelle im Verdi-Requiem gehört natürlich dem Tenor. Mit „Hostias et Preces“ im Offertorium brachte Peter Lodahl (ein Däne unter lauter russischen Solisten) „Opfergaben und Gebete“ vom Feinsten dar: Wie Weihrauchwolken im einfallenden Sonnenlicht (im Salzburger Dom kann man das beobachten) strebten die fein artikulierten wiegenden Linen himmelwärts. Der zürnendste Gott muss da versöhnt werden.
Nikolay Didenko ist ein Bass mit profunder Tiefe bei beinahe tenoraler Helle in der Stimme – und das in allen Lagen: Er ließ den Zuhörern das Blut in den Adern gefrieren in der Stelle „Mors stupebit“ im Dies Irae: So verängstigt und verdattert und im Schrecken erstarrt hat man keinen Sänger je die Toten aus Gräber steigen sehen. Den sanften Passagen, wie etwa im „Pie Jesu“, ebenfalls im Dies Irae, wusste er klanvollen warmen Schmelz zu verleihen.
Der tiefen Frauenstimme hat Verdi in seinem Requiem besonderes Augenmerk gewidmet. Von der Mezzosopranistin Irina Tchistyakova hätte man sich – bei aller vorhandenen Klangfülle – Konsonanten und Text gewünscht, nicht nur opulentes Wogen. Insgesamt ist mangelnde Textdeutlichkeit in den Solisten-Ensembles der einzige Schwachpunkt der mitreißenden Aufführung gewesen.