Einfach spannend
KULTURVEREINIGUNG / LUZERNER SINFONIEORCHESTER / NOTT
15/11/12 Ein Nachtrag zu Allerheiligen mit Ausblick auf fröhlichere Feste: Musikalisch brillant, atmosphärisch dicht und dramaturgisch ein Wurf war das Konzert des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung seines ehemaligen Chefdirigenten Jonathan Nott und der Violinsolistin Isabelle Faust.
Von Heidemarie Klabacher
„Musique funèbre“ war das Motto über diesem Konzert, das dennoch keine trauer- sondern vielmehr eine äußerst spannungsvolle Angelegenheit war: Karl Amadeus Hartmann hat sein „Concerto Funèbre“ 1939 geschrieben, um seinen Zorn und seine Verzweiflung angesichts des Überfalls der Nazis auf Polen auszudrücken. Dennoch kommt in diesem Violinkonzert Trauer vor Zorn: Die Grundstimmung ist verhalten, klagend. Umso wirkungsvoller und bewegender sind die wenigen Ausbrüche und Attacken ins Forte oder Fortissimo.
Hartmanns „Concerto Funèbre“ ist kein typisches Solokonzert zum Brillieren für einen Virtuosen. Die Solopartie steht vielmehr in engem Kontakt mit dem Orchesterpart und wächst als klagendes Lied oder auch als virtuoser Ausbruch immer organisch aus dem Gesamtklang heraus. Die Geigerin Isabelle Faust hat den Solopart mit größter Spannung und strahlend klarem Ton gestaltet. Selbst in lauteren oder lauten Passagen schien sie ohne Vibrato auszukommen: Das verlieh dem Ton eine beinahe beängstigende Zugkraft. Energie schöpft diese Musikerin nicht aus der Lautstärke, sondern aus der konzentrierten musikantischen Grundhaltung. Das Luzerner Sinfonieorchester spielte bei diesem Stück in kleiner Besetzung: Präzision und Transparenz im Orchesterpart erlaubten der Solistin die fein ziselierte Anlage des Soloparts.
Das Allegro kam nach einem spannend rhythmisierten Unisono-Einstieg in kämpferisch aufbegehrender Attacke daher. Die Sologeige setzt sich alsbald an die Spitze der Wilden Jagd und führt die Streiter in den Kampf. Aber selbst in diesem Teil (des nicht mit Satzpausen gegliederten Konzerts) gaben sich die Musikerinnen und Musiker Zeit für Momente des Rückzugs und des nach Innenblickens. Aufregend, bewegend.
Weniger bewegend war die zur Eröffnung des Abends gespielte „Maurische Trauermusik“ eines anderen Amadeus: Mozarts ebenso kurze wie große Gedächtnismusik für verstorbene Freimaurer-Kollegen hat Jonathan Nott so verhalten musizieren lassen, dass die Wiedergabe spurlos im Raum verklang.
Umso aufregender war dafür die Wiedergabe von Beethovens "Zweiter". Die Symphonie D-Dur op. 36 hat ja bei aller beschwingten Heiterkeit und Gesanglichkeit auch ihre dunklen Momente. Diese augenblickkurzen Visionen von Florestans Kerker hat Jonathan Nott als aufrüttelnde Gegenstimmungen zu gestalten gewusst. Auch im lieblichen Larghettho, in dem sich die Holzbläser und Streicher (oder auch die Streicher untereiander) die Melodien zuspielten wie Federbälle, gibt es diese oft nur taktweisen Eintrübungen, die eine Verbindung zum ersten Teil des Abends herstellten.
Nicht unerwähnt bleiben darf die Chaconne aus Johann Sebastian Bachs Partita für Violine Nr. 2 d-Moll BWV 1004: Mit größter Ruhe, mit äußerster Klangreinheit ließ Isabelle Faust die komplexen und virtuosen Variationen mit der Schlichtheit eines Liedes vorüberströmen.
Jonathan Nott, seit dem Jahr 2000 Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, war am Pult der Camerata Salzburg oder der Wiener Philharmoniker schon mehrmals in Salzburg zu erleben (jüngst bei der Mozartwoche 2011). Hoffentlich kommt er bald wieder.