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Nach zweihundert Jahren endet die Funkstille

DOMKONZERT / GATTI-REQUIEM

18/05/12 „Keine Chance für Mozart“ war Motto eines musikwissenschaftlichen Symposions im März vorigen Jahres, und für eine CD hat der ORF eben diesen provokanten Titel gewählt. Tatsächlich: Der Musik-Schnürlregen im Salzburg des späten 18. Jahrhunderts bestand keineswegs vor allem aus Noten Mozarts.

Von Reinhard Kriechbaum

Ob das Urteil der Nachwelt gerecht ist, indem es die Kompositionen von Luigi Gatti (1740-1817), dem letzten Salzburger erzbischöflichen Hofkapellmeister, komplett ausgeblendet hat? Im Domkonzert am kommenden Sonntag (20.5.) wird man Gattis Requiem in C-Dur hören und sich selbst eine Meinung bilden können. Eine vom ORF herausgegebene CD, die zuvor im Archiv der Erzdiözese (Kapitelplatz 3) präsentiert wird, bietet weiteres Hörmaterial.

Zu Mozarts Salzburger Zeiten hatten sich jedenfalls andere Komponisten deutlich mehr Raum erkämpft: Luigi Gatti war der letzte Salzburger Hof- und Domkapellmeister unter Colloredo und als solcher Vorgesetzter von Michael Haydn, Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart. Sein reiches kompositorisches Schaffen, heute so gut wie vergessen, stieß seinerzeit auf große Anerkennung weit über Salzburgs Grenzen hinaus.

Auf der CD ist unter anderem ein Trio für Klarinette, Viola und Violoncello zu hören, das geradezu von böhmischem Musikantentum durchzogen wirkt – jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck aus der quicklebendigen Wiedergabe, die Markus Springer, Firmian Lermer und Detlef Mielke diesem Stück angedeihen lassen. Auch ein Quartett für Oboe, Violine, Viola und Violoncello von Luigi Gatti ist eingespielt, außerdem das Quintett für je Violinen und Bratschen sowie Kontrabass von Michael Haydn. Das alles ist Musik, die sich vor Mozart nicht wirklich zu verstecken braucht.

Das, so versichert der Salzburger Domkapellmeister Janos Czifra, sei auch im Fall des Requiems in C-Dur so. Am Sonntag (20.5.) wird man es nach zweihundert Jahren wieder hören können. Auf weite Strecken ist es von eher lyrischer Grundhaltung, aber im Dies Irae ließ Gatti alle Register ziehen: Der Einsatz von vier Trompeten, Pauken und Großer Trommel macht gehörig Effekt und weist das Werk als frühen Vorläufer der Totenmessen von Berlioz, Cherubini oder Verdi aus. Die sichere Behandlung des Orchesters, der klangvolle Chorsatz, die untadelige Polyphonie, die Italianità der Solopartien - all das zeigt den 67jährigen Komponisten auf der Höhe seiner Meisterschaft.

Anlass dieser Wiedererweckung ist der 200.Todestag von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. Das Requiem in C hat er am 14. Juni 1808 in der Universitätskirche zur Aufführung gebracht. Anlass waren wahrscheinlich die Exequien des angesehenen Salzburger Arztes und Professors der Medizin, Johann Jakob Hartenkeil, der Colloredos Leibarzt war. Eine im Jahr zuvor entstandene Erstfassung des Stücks hat Gatti vermutlich zum Andenken an die früh verstorbene Kaiserin Marie Therese (1772-1807) komponiert. Die Gattin von Kaiser Franz II. war eine große Musikenthusiastin und Gönnerin des Komponisten. Eine weitere Salzburger Aufführung ist anlässlich des Todes von Colloredo 1812 verbürgt.

Ab 1783 war er als Hofkapellmeister  in Salzburg tätig, allein für den Salzburger Dom hat Luigi Gatti 28 vollständige Messen und zwei Requiemvertonungen geschrieben. Dazu kommen zahlreiche Offertorien, Litaneien und Vespern. Zwischen 1801 und 1803 half er Wolfgang Amadeus Mozarts Schwester Nannerl bei der Suche nach bis dahin unbekannten Werken Mozarts. In diesem Zusammenhang korrespondierte er bis 1804 mehrmals mit dem Verlag Breitkopf & Härtel.

Mit einem Stück hat Luigi Gatti heute sogar ein klein wenig Berühmtheit ergattert – aber das ist nicht von ihm: Es war ja damals so ungewöhnlich nicht, musikalische „Gassenhauer“ (etwa aus Opern) mit einem geistlichen Text zu unterlegen. So arbeitete Mozart beispielsweise seine c-Moll-Messe zum „Davide penitente“ um. Gatti hat Teile von Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ hergenommen und daraus die „Schöpfungsmesse“ geformt. Auch sie macht nicht wenig Wirkung.

Luigi Gattis Requiem in C-Dur wird am Sonntag (20.5.) um 18.30 Uhr im Dom aufgeführt. Ausführende sind Domchor und Dommusik unter Janos Czifra, Solisten sind Simone Vierlinger, Bernadette Furch, Bernhard Berchtold und Wilfried Zelinka. - www.dommusik-salzburg.at
Zuvor (um 17 Uhr) wird im Archiv der Erzdiözese (Kapitelplatz 3) die ORF-CD „Keine Chance für Mozart“ vorgestellt. – shop.orf.at/oe1
Über den Komponisten Luigi Gatti {ln:Der letzte Salzburger Hofkapellmeister}

 

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