Modern Times
STIFTUNG MOZATEUM / LIEDERABEND IMMLER
09/05/12 Der Programmtitel „Modern Times“ für den Liederabend des Bassbaritons Christian Immler bezog sich auf die Liedgruppen im zweiten Teil des Konzerts: Mit Liedvertonungen von Franz Schreker, Hans Gál, Hanns Eisler, Erich Wolfgang Korngold und Wilhelm Grosz war die „Wiener Moderne“ der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts angesprochen.
Von Elisabeth Aumiller
Es sind Komponisten deren Wurzeln in Wien und Böhmen lagen, deren beruflicher Werdegang sie nach Deutschland, meist nach Berlin, führte und die in der Hitlerzeit dann Deutschland verlassen mussten. Sie emigrierten in die USA oder ach England. Nur Hanns Eisler wurde zu einer nationalen Größe in der DDR.
In Lied-Repertoire gilt Immlers Interesse besonders den Werken vertriebener Komponisten. Und das verwundert nicht, brachte er doch den Beweis, dass dem Liedersänger Immler diese Welt stimmlich und ausdrucksmäßig besonders liegt: Immler zeigte sich als eine eigengesetzliche Sängerpersönlichkeit, die in keine Schublade einzuordnen ist. Seine erdig dunkle Stimme mit etwas herbem Timbre ist in hervorragender technischer Führung von großer Beweglichkeit und zu mühelosen Höhenflügen und kraftvoll voluminösem Auftrumpfen fähig. Immlers Stärke liegt in der deklamatorischen Begabung. Mit präziser Artikulation formt er den Ton aus dem sprachlichen Duktus.
Mit höhnischem Grinsen reitet Schrekers „Feuriges Männlein“ in dynamisch bewegtem Galopp daher. „Und wie mag die Liebe“ ist der seltenere Moment, in dem sich die Stimme lyrischer Qualität bedient und weicher, mit zarterer Farbe des Rilke-Textes annimmt: „Das Glück löste leuchtend aus allen Himmeln sich los und hing mit gefalteten Schwingen groß an meiner blühenden Seele“. Auch in den „Fünf Melodien“ von Hans Gál blitzen melancholisch träumerische Momente auf. Aber das erzählerische Element im Balladenton wie in den „Drei Prinzessinnen“ ist Immlers Ausdrucksform, mit der er zu beeindrucken und zu überzeugen weiß. Groteske skurrile Miniaturen sind die Morgensternvertonungen der „Galgenlieder“ von Hanns Eisler. Hier zeigt Immler seine Gabe zum witzig pointierten Charakterisieren.
Erich Wolfgang Korngolds „Songs of the Clown“ op.29 gehören zu den wenigen amerikanischen Werken Korngolds, die nicht für den Film geschrieben wurden. Immler, begleitet von Helmut Deutsch, gestaltet sie meisterlich in englischer Sprache, präzise vom Wort ausgehend, und gibt auch der schlicht eingängigen Melodik musikalische Linie und gefällige Vielfarbigkeit in Stimme und Ausdruck. Der satirischen Ironie in Wilhelm Grosz’ „Bänkel und Balladen“ op. 31 gibt Immler beißende Form und stimmlich imponierend kraftvollen Einsatz. Makaber düster die Krüppelballade Eislers als Zugabe.
Eine breite Palette an pianistischen Farben, an Virtuosität und subtilen Nuancen haben diese Komponisten dem Klavier zugedacht - und Helmut Deutsch ist großer Meister, diese Möglichkeiten in allen Schattierungen und Klangreizen auszuschöpfen. Da klingt impressionistischer Schimmer an, kraftvoll türmende Tongespinste kontrastieren feingesponnene Ornamentik und lyrische Zartheit, farbenreich aufgefächerte Arpeggien fließen wie silberne Wellen, forsche Bewegungsbrillanz mischt sich mit tonmalerisch fantasievoller Anschlagspräsenz, dem Wortausdruck zuspielend, ihn unterstützend und inspirierend.
Im ersten Teil des Liederabends, in Schumanns „Dichterliebe“ op. 48 brachte Deutsch die ganze Bandbreite romantischer Empfindung und melancholischer Lyrik mit feinsinniger pianistischer Kultur zum Tragen. Der Sänger singt dabei akademisch korrekt, stimmlich, technisch und musikalisch untadelig, aber das Schumannsche Melos ist nicht seine Sache. Die romantische Poesie und Gefühlswelt vermag er nicht in die Stimme einzufärben, nuancenreich zum Klingen zu bringen und überzeugend genug zu vermitteln. Da erreichte er die Zuhörerschaft nicht wirklich, während ihm das mit den „Modern Times“ - Liedern unbestritten gelang.