Meine Seel auf Rosen geht
BACHGESELLSCHAFT / PASSIONSKANTATEN
27/03/12 Der junge Bach hat seinen Urlaub in Lübeck gleich um ein paar Monate überzogen, um bei Dietrich Buxtehude noch weiter Stunden nehmen und bei den berühmten „Abendmusiken“ in der Marienkirche dabei sein zu können. Den Lüneburger Organisten Georg Böhm kennt man bestenfalls als Lehrer Bachs und als Orgelkomponisten.
Von Heidemarie Klabacher
Dabei hat dieser Georg Böhm auch Kantaten und Motetten komponiert, damit einen wichtigen Beitrag zur protestantischen Kirchenmusik geleistet – und vor allem aufregende Vokalstücke geschrieben. Wenn die restlichen Vokalwerke Böhms nur halb so brillant sind, wie die hinreißende Kantate für Chor und Solisten „Mein Freund ist mein“, fragt man sich nur, warum niemand sie aufführt.
Jedenfalls oblag es einmal mehr der Salzburger Bachgesellschaft, das Publikum mit echten Raritäten zu überraschen und zu begeistern. Auf dem Programm des Konzerts am Samstag(24.3.) in der Großen Aula standen also Kantaten von Bach, Böhm und Buxtehude. Es war ein aufregender musikalischer Pilgerweg durch diese vorösterlichen protestantischen Passionsmusiken.
Gesungen haben das Collegium Vocale der Salzburger Bachgesellschaft, das sich mit Strahlkraft im Klang und stupender Balance zwischen den Stimmen einmal mehr in Höchstform präsentierte, und ein handverlesenes Solistenensemble mit Francesa Cassinari und Vera Milani (Sopran), Margot Oitzinger (Alt), Virgil Hartinger (Tenor) und Mauro Borgioni (Bass). Gespielt hat das Ensemble „La Divina Armonia“ unter der Leitung von Lorenzo Ghielmi, die ja schon Gäste bei der Bachgesellschaft waren – diesmal aber mit dem Vokalensemble der Bachgesellschaft zusammenarbeiteten.
Mit dem fulminanten Ergebnis Alter Musik vom neuesten Zuschnitt: lebendig und ganz vom Text her gedacht in der Phrasierung der Vokalstimmen, federnd und die Vokalisten kraftvoll unterstützend in den Instrumentalstimmen. Lorenzo Ghielmi ließ vom Tempo her genügend Raum, zur Entfaltung aufregender harmonischer Klang- und „Farb“-Effekte: Sei es in der archaisch anmutenden stark chromatisch gefärbten Buxtehude-Kantate „Fürwahr, er trug unsere Krankheit“ oder in der schillernden Violinbegleitung zum Bassrezitativ „Mein Jesu ziehe mich, so werd ich laufen“ in der Kantate „Jesus nahm zu sich die Zwölfe“ BWV 22.
Georg Böhm verbindet die vier Strophen für die Solisten der Kantate „Mein Freund ist mein“ mit einem federnden tänzerischen Ritornell: Ein Werk, das vor Freunde nur so sprüht. Zumindest, wenn es so mitreißend gespielt und gesungen wird. Schon mitten in einer der großen Passionen wähnte man sich in der ausgereiften bewegenden Bach-Kantate „Sehet wir geh’n hinauf gen Jerusalem“ BWV 159.
An diesem Wochenende ist übrigens - stillschweigend möchte man fast sagen - ein wahres Vokalmusik-Fest über die Bühne der Großen Aula gegangen: Die Bachgesellschaft hat am Samstag (24.3.) also Passionskantaten von Johann Sebastian Bach Kompositionen von zweien seiner Lehrer gegenübergestellt. Am Sonntag haben das Ensemble der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft und das Collegium Musicum Salzburg unter der Leitung von Albert Anglberger ebenfalls mit Passionskantaten von Bach die acapella Tenebrae-Responsorien von Gesualdo da Venosa „umrahmt“: Zwei Vokalmusik-Zugänge zum selben Thema auf internationalem Niveau, präsentiert von zwei verschiedenen Salzburger Institutionen und Ensembles innerhalb von zwei Tagen auf der selben Bühne. Eine schöne Möglichkeit, zu vergleichen.