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Das macht vor Aberwitz staunen

DIALOGE FESTIVAL

10/06/24 Die Veranstaltung einer Volkstanzgruppe im Heckentheater nebenan vor Beginn des Konzertes dient Johannes Honsig-Erlenburg bei der Begrüßung als Querverweis zu Kurtág und Enescu, deren Werk sich aus der Erfahrung mit ihren bodenständigen Musiktraditionen wesentlich speist.

Von Erhard Petzel

Bilder aus dem Osten war das Motto des Eröffnungskonzerts zum Dialoge Festival am Freitag (7.6.) im Wiener Saal. Andrei Gologan & Friends spielten Werke von Kurtág sowie Klavierquartette von Enescu und Mozart. Nach Covid und erfolgreichem Umbau des Hauses sind die „Dialoge“ also wieder aktiv und haben sich als Leitmotiv das Herausstellen interkultureller Einflüsse auf neue Musik vorgenommen. Die jungen Botschafter dafür sind Andrei Gologan, ein ehemaliges Wunderkind aus Rumänien am Klavier mit Mozarteum-Bezug aus Studienzeiten, der niederländisch-amerikanische Geiger Stephen Waarts, die hiesige Bratschistin Emma Wernig und der russische Cellist Alexey Stadler.

Sind die Komponisten aus dem Osten heutzutage Klassiker der Moderne oder nicht eigentlich modern, ist Mozart als Klassiker auch gar nicht östlich... Sei’s drum, dafür war das Konzert umwerfend. Die östlichen Bilder beziehen sich auf Kurtág. Aus dem Zyklus Signs, Games und Messages for strings wurden Blumen die Menschen, für Miyako als Streichtrio, H.J.-Nóta für Viola solo und Im Volkston für Cello gespielt. Das Klavier solierte mit Les Adieux aus Játékok und verband sich mit der Violine für Öd und traurig aus Tre Pezzi op. 14e. Das Trio der Streicher schwebt in zartesten Flageolett-Flächen aus einfachen Leiterausschnitten zusammengestellt, wie auch Öd und traurig aus einer frugalen Pentatonik dem Klavier entwächst, die Geige zunächst Liegetöne produziert, bis sie sich zu Doppelgriffen und Melodiefragmenten steigert. Ein charakteristisch angepeilter Ton wird bis ins ausklingende Ziel getragen. Die Viola trumpft in ihrem Stück auf wie eine Ouvertüre von Händel, der Volkston im Cello gibt sich im Doppelklang getragen düster. Les Adieux referiert auf Beethoven, Janáček und Bartók in versponnener Versonnenheit, verschwimmend im Pedalnebel.

Eine dramatische Überraschung, vor allem in der energischen Wiedergabe des Ensembles, ist Mozarts Klavierquartett g-Moll KV 478. Wie das aufschlussreiche Programmheft offenbart, für die Zeit seiner Entstehung (parallel zum Figaro) die zeitgenössische Spielpraxis überfordernd. In seinen oft schroffen Kontrasten und individualisierenden Eigenwilligkeit wird man immer wieder an Beethoven erinnert. Effektvoll und raffiniert die Kommunikation zwischen Klavier und Streichern. Das Thema im Andante weniger lieblich als über einen gedehnten Raum sich beflissen in die Höhe schraubend. Das Rondo mit verquerer Durchführung bis zum energischen Fugato und einem veritablen Trugschluss außerhalb der Klavierkadenz ins impulsive Finale. Das fordert natürlich einen Vergleich heraus zu Enescus Klavierquartett Nr. 1 D-Dur op. 16 nach der Pause.

Das wird von Gologan als technische Herausforderung anmoderiert mit dem Verdacht, dass es vor Ort wahrscheinlich erstmals aufgeführt würde. Das Ensemble habe zwei Wochen zum Einstudieren investiert, um seine Komplexität zu durchdringen. Vier Elemente streicht er als Bezugsgrößen für Enescu heraus: Bauernschaft, Glaube, Musik auf der Straße (bevor noch ein Bewusstsein für musikalische Systeme vorhanden war) und die Impulse in Paris. Komponieren aus der Haltung von Improvisation heraus wie von Roma-Musikern erhört.

Die drei folgenden Sätze werfen tatsächlich um. Mozarts Diversität ins Überdimensionale gesteigert, die rhapsodische Apotheose eines Liszt noch einmal überwältigt, spätromantischen Gigantismus elegant ausmoderiert. Wie hier aus einfachen Kernmotiven große Volumina aufgefaltet werden, die in einer thematischen Wendung plötzlich in sich zusammenfallen ohne zu verenden und geschmeidig in die neue Entwicklung führen ohne das Vorherige zu vergessen, wie üppigste Polyphonie in homophone Liedartigkeit und ins chorisch Filigrane schmilzt und umgekehrt einfache Elemente komplexe Strukturen in pathetischer Leichtigkeit aufdonnern – das macht vor Aberwitz staunen. Dazu die geschmackvollste Symbiose von Klavier und Streichern, die sich wünschen lässt. Wie sich hier vier Leute der Überwältigungskraft eines großen Orchesters bemächtigen, lässt den Atem stocken. Entsprechend frenetisch der Jubel eines doch eher gesetzten und ansonsten auch belastbaren Publikums.

Bild: www.instagram.com/stiftungmozarteum

 

 

 

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