Als Böhmen noch bei Österreich war
KULTURVEREINIGUNG / PRAGER SYMPHONIKER
11/04/24 Seit mehr als fünfzig Jahren sind sie immer wieder gern bei uns gesehene Gäste: die Symphoniker von der Moldau. Diesmal, für drei Termine unter dem derzeitigen Chefdirigenten Tomáš Brauner. Im Gepäck Kompositionen ihrer Landsleute Dvořák und Janáček.
Von Horst Reischenböck
An Stelle einer Zehnten Sinfonie hinterließ der vor 120 Jahren verstorbene Antonín Dvořàk mit dem Violoncello-Konzert in h-Moll op. 104 einen Meilenstein der Literatur, ein geradezu singuläres Meisterwerk, in dessen groß dimensionierte Fußstapfen erst Serge Prokofjew ähnlich wieder treten sollte. Es ist höchst dankbar sowohl für Orchester wie Solisten, auch wenn sie Dvořàk, wie bei seinen anderen Instrumentalkonzerten auch, der Gelegenheit zu einer Kadenz beraubte.
Um deren Fehlen brauchte sich Raphaela Gromes nicht zu bekümmern: Aus einer Cellisten-Familie stammend, fühlte sich die 33jährige Münchnerin umrahmt von den Prager Symphonikern von Anbeginn hörbar im Gleichklang der Seelen eingebettet und unter Brauners aufmerksamer Stabführung gut und sicher aufgehoben.
Der langen Orchesterexposition im eröffnenden Allegro stellte sie sich vorerst kämpferisch beherzt entgegen, um sich im Anschluss daran gesanglich ins Seitenthema zu vertiefen. Nachdem sie sich ebenso tonschön in die Lyrismen des Adagios versenkt hatte, marschierte sie im absoluten Gleichschritt durchs Finale, mit dessen melancholischen Gedanken inmitten bis hin zum überschwänglichen Dialog mit dem Konzertmeister (da denkt man an Brahms’ „Riesengeige“ in dessen gleichfalls spätem Doppelkonzert).
Die begeisterte Zustimmung kalmierte Raphaela Gromes im Gedenken an das, was derzeit weltweit geschieht, zusammen mit dem Solocellisten des Orchesters durch ein Duo des großen katalanischen Vorbilds und zugleich auch Friedensaktivisten Pau Casals, Song of the Birds.
Nach der Pause präsentierten die ambitionierten Gäste mit Leoš Janáček voller Elan so hier noch nie gehörte Novitäten der Jahrhundertwende, als auch Mähren noch Teil der Habsburger-Lande war. Der vor 170 Jahren geborene Janáček knüpfte noch vor seiner russophilen Phase, ähnlich Dvořák mit seinen späten, thematisch grausam und letal endenden Tondichtungen, an Literatur seines Landes an. Dergestalt verbirgt sich hinter der Ballade Šumařovo dítě JW 6/14 (Das Kind des Dorfmusikanten) eine eigentlich sozialkritische Schilderung, die aber zuletzt doch positive Ausblicke gewährt. Der umfangreich bestückten Instrumentalapparat ist in diesem Stück durchaus kammermusikalisch aufgeschlüsselt und rückt die Sologeige in den Vordergrund – das Stück wirkt streckenweise wie eine Vorwegnahme von Janáčeks unvollendet hinterlassenem Violinkonzert.
Tomáš Ille hat auf Anregung von Manfred Honeck, Chef des Philadelphia Orchestra, aus jeji pastorkyňa (so der originale Name der Oper Jenůfa einzelne Tanzpassagen herausgeschält und zu einem differenziert aufbereiteten Klangfresko aufbereitet. Das kann man auch ohne Kenntnis der Handlung wirkungsvoll nachhallen lassen.