Grandiose Klangwanderungen
MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE
08/04/24 Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy und Jörg Widmann: Das lange Programm war ganz und gar nicht langweilig, sondern brachte schon allein durch die Unterschiedlichkeit der Orchestergrößen und der Texturen viel Abwechslung. Jörg Widmann als Dirigent überzeugte nicht nur mit seinen eigenen Stücken.
Von Paul Kornbeck
Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre gehört zu den viel gespielten Stücken und wird heutzutage oft aus dem schottischen Wechselwetter in ungestüme Klanggewitter befördert. Jörg Widmanns Interpretation nahm von den ersten zarten, fest zärtlich wirkenden Takten an gefangen. Ohne altmodisch zu wirken, breitete sich diesmal endlich wieder einmal eine wirkliche romantische Tondichtung aus, ohne Tempobolzerei und aufs Feinste schattiert, vom Orchester aufs Schönste musiziert. Ein Landschaftsbild, durchwirkt von Legenden und ganzen Gefühlswelten.
Vor und nach der Pause gab es zwei Stücke aus Widmanns Feder. Im Trompetenkonzert Towards Paradise aus 2021 wanderte der charismatische Widmungsträger Håkan Hardenberger aus dem Dunkel des Anfangs pausenlose vierzig Minuten lang durch das groß besetzte Orchester, vom ersten mystischen Soloton an durch sich aufbäumende, dramatisch explosive, aber auch oft poesievoll verhaltene Episoden bis hin zum allerdings nun signalhaft hell wieder im Dunkel quasi stehenbleibenden Schlusston. Bewundernswert, wie der seit vier Jahrzehnten berühmte schwedische Meistertrompeter all die Klippen der komplexen Partitur bewältigte, nur zum Teil von Notenpulten unterstützt.
Grandios auch das Orchester mit einem mitunter kongenial sekundierenden Kollegen, auch sonst perfekten Bläsern, differenzierten Streichern und der blendend agierenden Schlagzeugbatterie von fünf Herren und einer Dame. Und was Widmann in diesem „Labyrinth“ an Abgründen und Aufschwüngen, an Verneigungen vor dem Jazzgenie Miles Davis und innovativ weitergeführter Instrumentalkonzert-Tradition, auch an Empfindungen in Lockdowns zu einem echten Wurf vereinigt hat, fasziniert so, dass man am liebsten gleich ein zweites Mal in ein utopischen Paradies reisen möchte.
Nach der Pause schuf Widmanns fürs Mozartjahr 2006 geschriebenes Stück Armonica für Glasharmonika und Orchester exquisit ausgeleuchtete luzide Klangbilder auf der Suche nach einer verlorenen Harmonie. Das Zauberinstrument Glasharmonika betätigte Christa Schönfeldinger in Vollendung. Und Mozarts kleines, feines Adagio C-Dur war anno 1791 schon eine Studie in gläserner Aquarelltönung.
Am Ende des heftig akklamierten Konzerts gab es die sogenannte „Fünfte“, die „Reformationssymphonie“, das erlesene Bekenntnis Mendelssohns zum evangelischen Christentum. Hier gestalteten Dirigent und Orchester viele verzaubernde, lyrische Welten der Spiritualität. Wundersam wirkte schon das von den Streichern wahrlich sphärisch musizierte „Dresdener Amen“, welches das spätere Gralsmotiv in Wagners Parsifal besonders deutlich vorwegnahm. Balsamisch ertönte nach dem kurzen Elfenbesuch im Scherzo das innige Andante. Im Finale waren die Zügel straffer gespannt und Ein feste Burg ist unser Gott hatte kein Pathos, dafür aber strahlende Festlichkeit.
Bilder: MOS / Marco Borggreve / https://www.glasharmonika.at/