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Berührende Soli, orchestrale Beliebigkeit

MOZART+FEST / CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE 

24/10/22 Wenn ein Weltklasse-Oboist als tüchtiger Kapellmeister betätigt und seine berückend schön geigende Gattin sorgsam begleitet, kann nichts schiefgehen. Sonst bleibt vom Konzert des Chamber Orchestra of Europe unter François Leleux nicht viel erinnerlich. – Rolando Villazón & Co freilich könnten sich endlich daran erinnern, dass Mozarts Sohn Franz Xaver das Musikleben in Lemberg, heute Lviv, wesentlich initiiert hat.

Von Gottfried Franz Kasparek

Zwar trat Maître Leleux am Samstag (22.10.) im Großen Saal des Mozarteums auch als Solist auf, aber das kleine Oboenkonzert des Vincenzo Bellini ist nicht mehr und nicht weniger als eine nette Belcanto-Studie für einen virtuosen Instrumentalisten, geschrieben von einem Komponisten, der für die Oper auf die Welt gekommen war – und seine wundersam unendlichen Melodien hier nicht wirklich ausbreiten konnte. Vor der Pause hatte Lisa Batiashvili mit edler Tongebung und technischer Souveränität, mit feinem Stilgefühl und sensiblen Lyrismen das Violinkonzert A-DurKV 219 Wolfgang Amadé Mozarts gespielt. Die „türkische“ Musik im Finalsatz – welch eine phantastische „kulturelle Aneignung“ – wurde überhaupt zum Höhepunkt des Abends, denn da kam zu temperamentvoller Spielfreude noch jene abgründige Wildheit, die in Mozarts Musik oft hinter vermeintlich schöner Oberfläche tobt.

Vor der Zugabe wandte sich die aus Georgien stammende, in Deutschland lebende Geigerin mit einer kurzen Ansprache an das Publikum. Sie berichtete, dass man in Cherson den dortigen Chefdirigenten Yuriy Kerpatenko erschossen habe, weil er sich geweigert hatte, für die russischen Besatzer ein Propagandakonzert zu leiten.

Ein Blick ins Netz beweist, dass dies trotz üblicher Dementi von Seiten Russlands wohl geschehen ist. Lisa Batiashvili und  François Leleux widmeten den Opfern des Krieges ein Arrangement der Pamina-Arie für Geige und Oboe. Berührend, zweifellos. Dennoch sei hier angemerkt, dass leider jegliche ukrainische Musik in Salzburger Konzerten fehlt, obwohl es eine solche durchaus gibt, zum Beispiel von Boris Lyatoshinsky, Myroslaw Skoryk und Walentyn Sylwestrow. Und Rolando Villazón & Co. könnten sich endlich daran erinnern, dass Mozarts Sohn Franz Xaver das Musikleben in Lemberg, heute Lviv, wesentlich initiiert hat.

Nicht wirklich glücklich wurde man mit den beiden die Instrumentalkonzerte umrahmenden Mozart-Symphonien. Zwar ließ das Orchester mitunter mit geschärften Akzenten erkennen, dass es einst von Nikolaus Harnoncourt geprägt wurde. Doch François Leleux ist eher ein Mann der eleganten Unverbindlichkeit. Der Symphonie C-Dur KV 200 ging jeder „Sturm und Drang“-Pfeffer ab, sie blieb in jener „apollinisch“ beliebigen Lieblichkeit stecken, die vor allem im schier endlosen Andante lähmende Wirkung erzeugte.

Was sich im langsamen Satz der Symphonie g-Moll KV 550 wiederholte. Im Wortsinn wiederholte. Natürlich kann man alle Wiederholungen befolgen, aber dann bitte mit jener Emphase und der Nuancierungskunst, die zuletzt Riccardo Minasi in einer Festspiel-Matinee so mitreißend eingesetzt hat. Überhaupt hörte man diesmal die ganze Symphonie so, als wäre Karl Böhm auferstanden – allerdings ohne dessen vom Originalklang noch nicht beeindruckter Musikantenlaune. Das Publikum bejubelte vor allem die solistischen Leistungen und spendete dem charmanten Dirigenten freundlichen Applaus.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

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