Dramatik im Dunkel
KULTURVEREINIGUNG / WDR SINFONIEORCHESTER / MĂCELARU
10/02/22 PCR-Tests braucht’s für Einheimische nicht mehr, aber nach wie vor (kostenpflichtig) für Deutsche, die nach dem Konzert heimfahren wollen. So blieben beim WDR Sinfonieorchester unter Cristian Măcelaru etliche Plätze im Großen Festspielhaus leer... Im romantischen Programm mit Rachmaninow und Brahms begeisterte die Pianistin Anna Vinnitskaya.
Von Horst Reischenböck
Orchester aus der Bundesrepublik geben einander zur Zeit bei uns die Klinke in die Hand. Wobei freilich das letzte Gastspiel des Sinfonieorchesters des Westdeutschen Rundfunks in Salzburg auch schon wieder zehn Jahre zurückliegt... Das Konzert am Mittwoch (9.2.) wurde eröffnet mit Sergej Rachmaninows Toteninsel, op. 29. Zum Werk angeregt hatte ihn eine Reproduktion von Arnold Böcklins gleichnamigen Bild, das im fin-de-siecle in vielen Wohnungen an der Wand hing. (Der Titel stammt übrigens vom Kunsthändler Fritz Gurlitt und nicht vom Maler selbst.)
Rachmaninows gut zwanzig Minuten dauernder Einsätzer beginnt mit monochrom aus der Tiefe aufsteigenden, an Wagner erinnernde Wellenbewegungen. Im 5/4-Takt bewegt sich der Fährmann Charon mit den Seelen der Verstorbenen über den Styx, etliche Hindernisse überwindend, ehe nach einer Klimax die Sequenz beruhigend aufleuchtet: Viele Gelegenheiten für ein Spitzenorchester, Qualitäten aller Instrumentengruppen aufzuzeigen. Begeisternd, wenn sie dazu durch dynamisch engagierte Zeichen – wie vom gebürtigen Rumänen Cristian Măcelaru – angefeuert werden.
Jahrzehnte später spukte dasselbe Motiv nach wie vor durch Rachmaninows Kopf. Unglücklich im selbst verordneten Exil, krönte er sein Schaffen für Auftritte als Virtuose mit der Rhapsodie über ein Thema von Paganini, op. 43. Dieses Thema hatte bereits Liszt wie Brahms inspiriert und wurde von Rachmaninow nun mit dem Dies Irae-Motiv verknüpft: Ein Kompendium eigenen Könnens, dabei als Ganzes fatalistisch seinen Hader mit dem Schicksal mannigfach widerspiegelnd. Als Sachwalterin hätte sich niemand Besserer als die Rachmaninow-Spezialistin Anna Vinnitskaya an den Steinway setzen können, die selben Orts schon bei den Festspielen des Vorjahres mit Prokofjew brillant debütierte. Hier meißelte sie gleich eingangs die vollgriffigen Akkorde aus den Tasten, verstreute silbrig glitzernde Girlanden und wechselte zwischendrin perfekt schattiert in zärtlich ausgesungene Melancholie. Schlicht überwältigend!
Es folgte die Dritte Brahms. Von der Bassposaune dramatisch untermalt gestaltete Dirigent Măcelaru den Beginn der Exposition im Kopfsatz, kontrastierte dynamisch differenziert die lyrischen Momente. Ähnlich, mit exzellent geblasenem Hornsolo, ging es durch das Andante. Nahezu übergangslos danach ins bekannte, hier etwas introvertiert anmutende Poco allegretto. Das durchwegs in f-Moll stehende Finale wurde von Allen resolut in finsterste kämpferische Auseinandersetzung getrieben, die sich sehr zögerlich dann abschließend doch ins Positive wendete.