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Viel mehr als Kindergarten-Instrumente

HINTERGRUND / ORFF-JUBILÄUM

16/03/21 Schlechte Zeiten für Jubiläen. Im Vorjahr wären der 125. Geburtstag von Carl Orff und der einhundertste von dessen Salzburger Apologeten Wilhelm Keller zu feiern gewesen. Glück im Unglück: Weil man die geplanten Veranstaltungen heuer nachholt, gesellt sich noch ein drittes dazu: Vor sechzig Jahren wurde das Salzburger Orff-Institut gegründet.

Von Reinhard Kriechbaum

Heute Dienstag (16.3.) geht der geplante Veranstaltungsreigen los, zwangsläufig online: mit der Ringvorlesung Carl Orff – Facetten seiner künstlerisch-pädagogischen Arbeit. Diese ist – das ist ja sehr bemerkenswert – zwar in die Jahre gekommen, aber nicht verjährt. Was in Kindergärten mit dem, was landläufig unter Orff-Instrumentarium läuft, angestellt wird, hat ja nur sehr bedingt mit den Ideen von Carl Orff zu tun. Da stand nicht das Gebimmel von Stabspielen und Triangeln im Vordergrund, sondern es ging ihm um eine ganzheitliche Musikpädagogik.

1924 gründete Orff, nach kurzer Tätigkeit als Opernkapellmeister, gemeinsam mit Dorothee Günther die Günther-Schule München – Ausbildungsstätte vom Bund für freie und angewandte Bewegung e. V., die in den Bereichen Gymnastik, Rhythmik, Musik und Tanz ausbildete. Carl Orff selbst übernahm dort die Leitung der Musikabteilung. Grundlage seiner Arbeit bildete die Idee, das musikalisch-rhythmische Gefühl aus der Bewegung heraus zu entwickeln. Aus dieser Idee entwickelte er gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Gunild Keetman ein neues Modell für Musik- und Bewegungserziehung: das Orff-Schulwerk. Erste Veröffentlichungen hierzu erfolgten zwischen 1930 und 1934.

Das musikalische „Baukastensystem“ mit den Orff-Instrumenten war nur ein kleiner Teil des Konzepts. Aber jener, der sich vielen Elementarpädagogen am nachhaltigsten eingeprägt hat. Schon im Lauf seines langen Lebens (1895-1982) hat Orff sein eigenes System immer wieder neuen Erfordernissen angepasst, und das gleiche passiert bis heute in Einrichtungen wie dem Salzburger Orff-Institut. Das ist immer auch ein Kräfteringen zwischen Lordsiegelbewahrern der reinen Orff'schen Lehre (so es so etwas überhaupt gibt) und jenen, die gerne stärkere Brisen des Zeitgeists herein lassen. Das könnte die heute beginnende wöchentliche Online-Ringvorlesung durchaus abbilden.

Jedenfalls war Orff selbst auch schon ein Reformator seiner selbst. Wieder mit Gunild Keetman gab er von 1950 bis 1954 fünf Bände Musik für Kinder heraus, eine Neufassung des Orff-Schulwerks. Die Kinder sollten durch eine musikalische Erziehung auch zu sich selbst finden. Die Persönlichkeitsbildung war in der Zwischenkriegszeit noch nicht das eigentliche Thema gewesen.

Orff leitete von 1950 bis 1960 Leiter eine Klasse an der Musikhochschule in München. 1961 wurde in Salzburg das nach ihm benannte Institut gegründete, das er freilich nur in den Anfangsmonaten leitete. Ab 1962 war Wilhelm Keller Leiter des Orff-Instituts.

Mit der Carmina Burana, mit Stücken wie Catulli Carmina oder seinen Opern Der Mond oder Die Kluge hat Orff jedenfalls das Publikum überzeugen können. Mit Bühnenwerken über mythologische und religiöse Stoffe hatte Carl Orff ein archaisches, sich in einer Zeit der Zwölftönerei und der seriellen Musik durchaus eigenbrötlerisch anmutendes teatrum mundi im Sinn. Es war manchmal groß und umfassend gedacht (De temporum fine comoedia), durfte aber schon auch mal die Münchner Variante von Mythos, also ein bayerisches Kleinwelttheater sein (Die Bernauerin). Zum etwas zwiespältigen Orff-Bild gehört auch, dass er sich mit den Nazi-Machthabern zu arrangieren wusste, ohne sich direkt die Hände schmutzig zu machen. Seine Musik war bekanntermaßen publikumswirksam und eingängig, und so schrieb er nicht nur für die Olympischen Spiele von Berlin 1936 das Stück Einzug und Reigen der Kinder. 36 Jahre später war er wieder angefragt für Olympische Spiele, diesmal (1972) in seiner Heimatstadt München. Da komponierte Orff für die Eröffnung den Gruß der Jugend.

Der interdisziplinäre Ansatz ist das Entscheidende an Orffs Musikpädagogik, dieser ist bis heute eine Stärke auch des zur Universität Mozarteum gehörigen Orff-Instituts. Kreativität und musikalisches Lernen werden wesenhaft aus der Improvisation heraus entwickelt, das ist eine der grundlegenden Ideen, die das „System Orff“ eigentlich für jede Ära tauglich machen.

Was man in Salzburg zum Jubiläum außer der Ringvorlesung vor hat: Von 27. April bis 5. Juli ist im Foyer der Universität Mozarteum die Ausstellung Carl Orff – Humanist gegen den Strom der Zeit zu sehen. Sie präsentiert sämtliche Bühnenwerke und das „Schulwerk“ mit Originalzitaten.

Am 2. und 3. Juli findet in der Frohnburg (dem Sitz des Orff-Instituts) das Symposion Kunst trifft Pädagogik statt, mit Vorträgen, Workshops und Performances für Kinder und Erwachsene.

Nicht unmittelbar zum Jubiläumsprogramm gehört ein Projekt von Anna Josefine Holzer. Sie ist Musik- und Tanzpädagogin, diplomierte Kunsttherapeutin und als freischaffende Künstlerin in den Bereichen Musik, Tanz und Performance tätig. Seit 2020 studiert sie am Orff-Institut. Ihre Masterarbeit Pandora – Ihr von morgen ist ein generationsübergreifendes Tanz- und Musikprojekt, das an der Volksschule Aigen in Salzburg im Schuljahr 2020/2021 umgesetzt wird. Ende Juni/Anfang Juli findet diese Performance im Max-Schlereth Saal des Mozarteums statt – mit 120 Schülerinnen und Schülern, Eltern, Geschwistern, Großeltern, Lehrenden und Bediensteten der Schule.

Die Online-Ringvorlesung über Carl Orff findet ab heute (16.3.) jeden Dienstag von 17.30 bis 19 Uhr statt. Zu Anmeldung und zum gesamten Jubiläumsprogramm
Bilder: Archiv: Orff-Zentrum München / Daniela-Maria Brandt (1); Universität Mozarteum / Orff-Institut (2); kollektiv-diva.com (1)

 

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