Auf geglätteten Wellen des Hudson-River
KONGRESSHAUS / MANHATTAN TRANSFER
12/05/10 Ein Taxi in Brooklyn zu bekommen wäre möglicherweise einfacher gewesen, als ein Konzertticket zu ergattern: The Manhattan Transfer am Dienstag (11.5.) im Salzburg Congress.
Von Per Peterson
Man möchte meinen, dass Mastermind Tim Hauser und seine Mitvokalisten aus der Geschichte gelernt hätten; nämlich, dass der Trend-ICE öfter abfährt als gewünscht. Mit dem Opener “Spain” präsentierten The Manhattan Transfer nicht nur ihr neues Album “The Chick Corea Songbook”, sondern begaben sich ein Stück weit in die Zeit des Albums “Brasil” zurück, in der - man schrieb die achtziger Jahre - heute eher peinlich anmutende Drumcomputer zum “must-have” gehörten , um auch ja aktuell zu klingen.
Ob der Einsatz von Allerwelts-Drumloops und E-Händeklatschen eine Verneigung vor dem Jazz-Electric-Vater Chick Corea sein sollten, bleibe dahin gestellt; eher klangen sie wie ein Versuch, ihm musikalisch die Zähne zu ziehen.
Die Präsentation des aktuellen Albums spielte durchaus eine gewichtige Rolle, und bei aller Kritik an der Zähmung widerspenstiger Corea-Songs zogen sich doch die für “The Manhattan Transfer” typischen Arrangements wie ein roter Faden durch alle Stücke.
Was allerdings fehlte, war die Dynamik, die Triebkraft, die Freude an der lustvollen Ausschweifung: Die Begleitung der bemerkenswert jungen vierköpfige Band glich vielmehr einer gemächlichen Bootsfahrt auf geglätteten Wellen des Hudson-River, was wohl in erster Linie dem langjährigen Wegbegleiter, Keyboarder und Musical Director Yaron Gershovsky zu zu schreiben ist.
Wirkliche Stimmung kam erst nach der etwas nach Vermarktung riechenden Präsentation der Solo-Projekte von Tim Hauser, Janis Siegel, Alan Paul und Cheryl Bentyne gegen Ende des Konzertabends auf, als sich die zum Teil zu Medley-Kürze dezimierten Klassiker die Klinke in die Hand drückten: “Java Jive”, “Trickle Trickle” Tuxedo Junction”, das halsbrecherische “Four Brothers” und natürlich die Signation “Birdland”, welche die Kernkompetenz des Quartetts mehr als deutlich herausstrichen: Die einzigartigen Vokal-Arrangements, das perfekte Timing, die schon fast unheimlich anmutende Intonation und allem voran die Vermittlung des Gefühls, nicht im Konzertsaal zu sitzen sondern in einem legendären New Yorker Jazzclub.
Möglicherweise ist es für Künstler frustrierend, wenn immer und immer wieder nach den gleichen Songs verlangt wird; aber eine Band wie “The Manhattan Transfer” lebt von ihrer Geschichte, von ihrer Identifikation gerade mit dem Nostalgischen seit ihrer Gründungszeit in den frühen Siebziger Jahren, als Swing und Harmonie alles andere als hip waren. Und authentischer Swing war wohl seit Jahrzehnten nicht so populär wie heute.