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Exponiert und fremd - also an der rechten Stelle

CD-KRITIK / BLÄSERPHILHARMONIE MOZARTEUM SALZBURG

07/01/15 Wenn Professoren der Universität Mozarteum sich vereinen, muss das Ergebnis positiv ausfallen. Jüngster Beweis: Musik von Ernst Ludwig Leitner interpretiert von Benjamin Schmid - zusammen mit der Bläserphilharmonie Mozarteum Salzburg unter Hansjörg Angerer.

Von Horst Reischenböck

Hansjörg Angerer war das Schaffen von Ernst Ludwig Leitner schon immer ein Anliegen: Davon künden Aufnahmen etwa von „Match and Sketch“, vom „Concerto for doublebass, winds, percussion and harp“ oder der Suite aus der Oper „Die Sennenpuppe“. Diesmal lautete der Auftrag an Leitner, „etwas zu Richard Strauss Passendes zu schaffen“.

Die Textzeile „Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding der Marschallin im „Rosenkavalier“ regte hat den Komponisten zu seinen „Metamorphosen Nr. 2“ angeregt (nach den siebenteiligen „Metamorphosen“ über Themen von W. A. Mozart, die vom Sinfonieorchester der Universität unter Dennis Russel Davies aus der Taufe gehoben und auch auf CD dokumentiert worden sind).

Leiter verlangt die Vergrößerung von Strauss' Besetzung der späten Bläsersonatinen um ein Saxophonquartett, Harfe und Schlagwerk. Entstanden ist ein viersätziges Opus „nach Richard Strauss“: freie Meditationen, in denen beispielsweise unterschwellig eine absteigende Tonfolge wie in der „Alpensinfonie“ zu Beginn und gegen Ende eine Melancholie verbreitet, der auch die bewegteren Mittelteile nur wenig entgegenzusetzen vermögen. Ein vollmundig klingender Beweis, dass es auch in unseren Tagen möglich ist, ohne Anbiederung tonschön komponieren zu können. Schon allein schon dieses Werkes wegen wäre die CD wert, gehört zu werden!

Die Auftragsarbeit sollte aber nicht nur „zu Strauss“ sondern aufführungspraktisch auch zum Violinkonzert von Kurt Weill passen, das unberechtigterweise ein Schattendasein fristet. - Vielleicht ob seiner nicht alltäglichen Besetzung, oder weil stilistisch Einflüsse seines Lehrers Ferrucio Busoni, andererseits Arnold Schönbergs freie Tonalität und der rhythmische Impetus von Igor Strawinsky anklingen. Schon Theodor Adorno jedenfalls hat attestiert: „Das Stück steht exponiert und fremd: Also an der rechten Stelle.“ Einspielungen kommen zwar in unregelmäßigen Abschnitten auf den Markt, fielen aber bislang eher unbefriedigend aus (ausgenommen sei höchstens die Aufnahme durch Kolja Blacher und das durch Claudio Abbado geleitete Mahler Chamber Orchestra).

Den vorhandenen Einspielungen ist nun mehr als nur adäquate Konkurrenz erwachsen: Durch Benjamin Schmid und Hansjörg Angerer mit seinen Mitstreitern von der Bläserphilharmonie Mozarteum. Hier steht einmal nicht der Solopart vor der Begleitung, sondern verzahnt sich schon im Kopfsatz, in dem unterschwellig das Dies Irae-Thema anklingt, perfekt mit dem luziden Bläsersatz. Das sind gleichberechtigte Partner, über die und aus denen Benjamin Schmid seine Stradivari-Geige bewusst auch brüchig hinterfragend hervortreten lässt. Für ihn, der sich in jüngsten Tagen zwecks Repertoire-Erweiterung verstärkt Raritäten verschrieb, ein weiterer Meilenstein an interpretatorischem Können. Die CD wird durch die virtuose Zugabe von Weills „Youkali“ im Alleingang noch zusätzlich aufgewertet.

Letztlich geht es sich mit einer CD nicht aus: Nicht zuletzt die Dauer der „Faustszenen“ von Bertold Hummel machte eine zweite CD notwendig. Von der Logik her ist diese Werkwahl absolut passend, klingt in ihnen ebenfalls das „Dies Irae“ an. Die sechs Teile, innerhalb der nur die nachträglich eingefügte Gretchen-Episode zwei Minuten Ruhepol bietet, überrumpeln klanglich auf Anhieb überzeugend. Von der Idee eines Tanzgedichts gedacht, wird die Satzfolge von allen Beteiligten mitreißend und faszinierend umgesetzt. Man spürt sogar beim bloßen Hören die elektrisierend animierende Hand von Dirigent Hansjörg Angerer. Eine absolute Bereicherung, und das nicht nur für Freunde mitunter auch harscher Bläserklänge!

Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding: Ernst Ludwig Leitner. Metamorphosen nach Richard Strauss. Kurt Weill Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 Youkali Lied für Solovioline. Bertold Hummel Faustszenen nach einem Tanzpoem von Heinrich Heine op. 72b (Konzertfassung 1979/85). Benjamin Schmid, Violine, Bläserphilharmonie Mozarteum Salzburg, Dir.: Hansjörg Angerer. UNIMOZARTEUM 2 CDs 64
Bild: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

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