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Mit und ohne Doppelpunkt, Gedankenstrich und Rufzeichen

CD-KRITIK / HARTMUT HAENCHEN / NIKOLAUS HARNONCOURT

25/07/14 Zwei mal Drei: Mozarts drei letzte Sinfonien nachzuhören auf zwei CD-Neuerscheinungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Auf modernen Instrumenten spielt das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach unter Hartmut Haenchen. Auf Originalinstrumenten der Concentus Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt.

Von Horst Reischenböck

Nachdem er schon in den 80er-Jahren mit dem Amsterdamer Concertgebow Orkest eine erste Deutung vorlegte, war es auch dem mittlerweile 85jährigen Nikolaus Harnoncourt ein Anliegen, zusammen mit dem ihm zutiefst verbundenen Concentus Musicus seine neueste Sichtweise auf von KV 543, 550 und 551 vorzulegen: Ein einziges großes „Instrumental Oratorium“ sieht der große Denker und Forscher unter den Dirigenten heute in diesen drei singulären Werken. Als Dokument Mitte Oktober des Vorjahres im Wiener Musikverein aufgezeichnet war die Trias inzwischen sowohl bei der Styriarte in Graz als auch bei den Salzburger Festspielen live zu erleben.

Der ORF hat die Grazer Aufführung aufgezeichnet. Wobei ohne visuelle Befrachtung das Nachhören freilich noch um Einiges präziser ausfallen kann: Da wäre die – von einem Niklaus Harnoncourt ohnedies erwartete - Schärfung des Klangbildes zu erleben. Die fast überdeutliche Akzentuierung von Ausbrüchen oder das Auskosten der Generalpausen. Letztere wirken wahlweise wie unwirsche Doppelpunkte mit nachfolgendem Gedankenstrich (etwa im Finale der „Großen“ g-Moll-Sinfonie) oder wie Rufzeichen: Alles aufgepasst! Ob wohl das die Intentionen des Komponisten gewesen sein mögen, bleibt natürlich dahingestellt - und ist in diesem Fall mehr als persönliche Ansichtssache von Harnoncourt natürlich messianisch verteidigt.

Zu den sich offenbarenden Klang-Offenbarungen gehört auch die ungewohnte, weil heutzutage kaum nicht mehr gebräuchliche, Befolgung der Wiederholungszeichen bei der jeweiligen Rekapitulation der Menuett-Teile. Von der gegenüber früheren Interpretationen noch weit differenzierter ausgefallenen Phrasierung und den noch stärker aufgeheizten Tempi ganz zu schweigen. Mit seinen Tempi führt Nikolaus Harnoncourt die allgemein verbreitete Ansicht, Dirigenten würden im Alter „langsamer“ ad absurdum: Das Andante cantabile der „Jupiter“ Sinfonie etwa erreicht sein Ziel heute um zwei Minuten früher. Alles in allem: eine auf ihre Weise faszinierende Darstellung.

Wer es weniger kontrovers möchte oder auch die Frage nach „Richtigkeit“ für sich selbst beantworten möchte, muss nur noch bis zum 8. August auf die Veröffentlichung eines Konzertmitschnitts vom Mai 2014 aus dem Konzerthaus Berlin warten: Ausgerechnet in dem Jahr, in dem der 300. Geburtstag des Namensgebers Carl Philipp Emanuel Bach gefeiert wird, verabschiedeten sich leider nach 34 Jahren Tätigkeit das im Osten der Stadt beheimatete Kammerorchester und sein Gründer und Leiter Harmut Haenchen definitiv von ihrem Publikum. Offenbar, weil auf Dauer nicht mehr finanzierbar: typisch das Sterben eines weiteren Klangkörpers in einem Staat, in dem aus Kostengründen mittlerweile sogar große Sinfonieorchester fusioniert werden.

Zu dem ihre Tätigkeit krönenden Abgesang erkoren auch Harmut Haenchen und die Seinen sich die drei letzten Sinfonien Mozarts. Mit durchaus berechtigtem Bezug, denkt man etwa an Mozarts Ausruf über des zweitältesten Bach-Sohn: „Er ist der Vater, wir sind die Buben.“

Das Hörergebnis überzeugt. Haenchen schürfte aus den Partituren Aufhorchen machende Phrasierungen und hing - ganz im Einklang mit Leopold Mozarts Violinschule - auch durchaus nicht dem absolutem Verzicht auf jegliches Streichervibrato nach. Seine Sichtweise ist nicht so sehr ruppig, eher eloquent, ohne deswegen die den Werken innewohnende Dramatik hintanzustellen. Die Tempi sind stimmig, in sich flüssig und organisch und werden vom Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach hörbar spielfreudig und klangschön befolgt. Das schlägt sich trotz Schlussapplaus auch konsumentenfreundlich in dieser, das Ende einer Ära beschließenden Jubiläums-Live-Edition mit einer Gesamtspieldauer von lediglich 82 Minuten nieder: Die drei Sinfonien fanden problemlos auf lediglich einer CD Platz.

W. A. Mozart:
Die Sinfonien Nr. 39 Es-Dur KV 543, Nr. 40 g-Moll KV 550 & Nr. 41 C-Dur KV 551 Jupiter:
Mozart's Instrumental Oratorium: Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt. 2 CDs SONY 88843026352
Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach, Hartmut Haenchen. BERLIN Classics CD 03005878C
Zur dpk-Besprechung des Festspielkonzertes Musizieren auf des Messers Schneide

 

 

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