asdf
 

Volle Frauenpower

HÖRVERGNÜGEN / CHRISTINA PLUHAR

31/10/24 In Mexiko errang jüngst die erste Frau das Präsidentenamt. Davon war auszugehen, es stellten sich zwei Frauen der Wahl. Starke Frauen in Politik und Gesellschaft – es gibt sie, die Fortschritte in Richtung Gleichstellung. Starken Frauen in der Musikgeschichte widmen die Dirigentin Christina Pluhar und das Ensemble L’Arpgeggiata ihr neues Album mit dem Titel Wonder Women.

Von Andreas Vogl 

La Bruja – Die Hexe – heißt das eröffnende mexikanische Volkslied im Stile des „son jarocho“ mit spanisch-indigenen und sogar afrikanischen Wurzeln. Am „dia de muertos“ gesungen und in Kombination mit Fandangos und Huapangos getanzt, erzählt es von jenen Frauen, die sich den Regeln der Gesellschaft widersetzt haben. Es gilt seit jeher als Lied der Freiheit aller Frauen.

Ähnlich der Titel La Lloronha – Die Weinende – ein Klagelied über eine Mutter, von ihrem Mann betrogen und verlassen, schicksalshaft zur Selbstaufgabe und Ermordung ihrer Kinder gezwungen. Ein Schlager. Ich kenne dieses berührende Lied schon lange vor allem durch die unvergessliche CD der legendären Tex-Mex Sängerin Lhasa aus den Neunzigern des letzten Jahrhunderts. Nun kehrt es in meiner musikalischen Entdeckungsreise wieder und wird klangschön und stilvoll vom Altisten Vincenzo Capezzuto vorgetragen und gekonnt jazzig improvisierend vom grandiosen Zink-Virtuosen der Arpeggiata, Doron Sherwin, begleitet. Das emotionale Highlight auf der CD!

Aber es sind vor allem die europäischen Frauengestalten in der Musikgeschichte der Renaissance bis zum Barock, welche die immer akribisch in den Archiven forschende Theorbenspielerin und geniale musikalische Arrangeurin Christina Pluhar zu diesem Album voll Frauenpower inspiriert hat. Natürlich kennen wir die berühmte Barbara Strozzi (1619-1677) als Komponistin dieser Zeit. (Selbst-)Bewusst allein erziehende Mutter im Venetien des Barock, welche bei Cavalli und Cesti Unterricht nahm. Ihre, vorwiegend für den Eigengebrauch gestalteten, Mini-Opern mit Continuo Begleitung erzählen von sehnender Liebe in L’amante consolato oder L’amante segreto. Unbekannter ist Francesca Caccini (1587-1641), Tochter des berühmteren Giulio Caccini, dessen Name in Verbindung mit einem lange ihm zugeschriebenen und doch aus einer anderen Feder stammenden Ave Maria in diversen Barocklexika kursierte. Francesca Caccini schrieb ebenso beachtenswerte Kurzkantaten und wurde etwa von Monteverdi sehr geschätzt. In Cosi, Perfida Alcina nimmt sie sich Ariost’s großer Erzählung über die gleichnamige Zauberin und Verführerin.

Auch in den zahlreichen Klöstern des 17. Jahrhunderts gab es ein hochkultiviertes, musikalisches Schaffen und Wirken. Das Schicksal vieler aristokratischer Frauen endete aus der damals üblichen Familienraison in Frauenklöstern. So war Isabella Leonarda (1620-1704) eine aktive Musikerin und fleißige Komponistin von Vokal- und Instrumentalwerken. Sie trat übrigens mit 15 Jahren ins Kloster ein und sollte ihr Leben lang mit zwei anderen Klosterschwestern die Mauern des Convents nie verlassen. Ihr Nive puer wird von der Mezzosopranistin Benedetta Mazzucato als weich-sinnliches Schlaflied gesungen und gesummt.

Neben weiteren weiblichen Entdeckungen etwa der im Frankreich Ludwig des XIV. wirkenden Arzttochter Antonia Bembo oder von Francesca Campana, sowie einigen instrumentalen Beiträgen von männlichen Barock-Zeitgenossen wie Andrea Falconieri und Maurizio Cazzati, erklingt noch das italienische Traditions-Volkslied La Canzone di Cecilia. Diese Frauen-Legende erinnert Christina Pluhar an eine Art Ur-Tosca: Cecilia wird von einem korrupten General die Freilassung ihres Liebhabers versprochen, wenn sie sich ihm zu Liebesdiensten hingibt. 

Die Aufnahme dieses Albums, erschienen bei WARNER, entstand übrigens in den Gemäuern der Prieuré de Vivoin, einer Klosteranlage aus dem 11. Jahrhundert in der französischen Region Pays de la Loire. Das Programm Wonder Women - tragic and comic stories by and about heroines, saints, witches, sorceresses and mere mortals mit dem Ensemble L’Arpeggiata steht dort Anfang Juli live auf Programm des dort ansässigen Festivals für Alte Musik. In Salzburg sind Arpeggiata das nächste Mal zur Mozartwoche 2025 mit Monteverdi’s L’Orfeo zu erleben.

Wonder Women. Christina Pluhar/L’Arpeggiata. Warner 5054197959165

 

 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014