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Immer verführerisch, nie vulgär - die Kurtisane

HÖRVERGNÜGEN / SONYA YONCHEVA

19/12/23 Die Sopranistin Sonya Yoncheva reüssierte heuer in Verona als Tosca und debütierte in Wien als Butterfly. Deren berühmte Arie Un bel di vedremo sang sie zu Pfingsten in Salzburg. Nun ist dieses Stück auf dem neuesten CD-Album der bulgarischen Sängerin: The Courtisan. Sonya Yoncheva interpretiert bekannte und weniger bekannte Halbweltfrauen.

Von Andreas Vogl

Der Begriff „Kurtisane“ bezeichnet eine Dame im meist höfischen Bereich, welche einem oder mehreren Männern dort zu Liebesdiensten zur Verfügung steht. So beschrieben ist es etwa im zugehörigen Wikipedia Artikel. Landläufig heißen diese Frauen auch Mätressen oder Konkubinen, etwas vulgärer wohl Huren oder Prostituierte, neudeutsch-heutiger und weniger verfänglich Callgirl oder Escortmodell. Im der Oper finden sich solche Gespielinnen sehr häufig. Sie bieten allerhand Stoff für großartige Liebesgeschichten und Tragödien und auf der Bühne sind die Wandlungen von der „Hure zur Heiligen“ besonders berührend und theatralisch dargestellt. Die berühmteste Kurtisane war oder ist sicherlich Marie Duplessis (1824-1847), Vorbild für Alexandre Dumas' Kameliendame, wie Verdis Traviata. Diesen und anderen musikalischen Freudenmädchen widmet Sonya Yoncheva ihr Album The Courtesan, welches gleichzeitig die erste Aufnahme auf ihrem eigenen neugegründeten Label SY11 ist.

Zu Beginn der CD bezeichnet sich Thais – Hetäre aus dem 4. Jahrhundert vor Christius und Gespielin Alexander des Großen, in der gleichnamigen Oper von Jules Massenet im Duett C’est Thais mit dem Tenor-Partner Charles Castronovo als „zerbrechliche Göttin“. Bevor sie sich in der großen Arie Dis-moi que je suis belle von ihrem kokotten Dasein und den brutalen Männern abwendet und sich vom Priester Athanael bekehren lässt. Ebenfalls aus der Feder von Massenet singt die gefallene blutjunge Manon ihr berührendes Abschiedslied Adieu note petite table als sie sich in die Hände eines reichen älteren Mannes begibt. Bei Puccini ist eben jene Manon Lescaut, zurückgehend auf Abbés Prevost Roman Die Geschichte von Chevalier De Grieux und Manon Lescaut von 1731, ähnlich verzweifelt in der Arie In quelle trine morbide

„Madama Butterfly“ Cio-Cio San ist die Gespielin eines schamlosen Amerikaners, der ihr sogar ein Kind anhängt und in die USA abhaut. In der Arie Un bel di vedremo wünscht sie sich sehnsuchtsvoll ein Wiedersehen. Pietro Mascagni komponierte ebenso eine in Japan spielende Oper über ein fernöstliches Frauenschicksal: Iris wird in ein Bordell entführt und zerbricht an ihrem Missbrauch. Yoncheva singt die berührende Traumerzählung Ho fatto un triste sogno pauroso. Ebenfalls eine selten gespielte Oper des Verismo ist Umberto Giordano Siberia aus der Nel suo amore rianimato, die Arie der Stephana erklingt. Auch sie wird zur Prostitution gezwungen, wird bei der Flucht aus dem Gefängnis erschossen: Ähnlichkeiten zur Handlung von Manon, aber auch zur viel späteren Lady Macbeth von Mzsensk von Schostakowitsch sind zu erkennen.

Weniger Halbwelt-Dame als gebrochenes Mädchen aus dem Armen-Milieu ist die Mimi in Puccinis  und Leoncavallos La Bohème-Vertonungen. Auch Mimi lässt sich von einem reichen Mann aushalten, ehe sie sterbenskrank zur wahren Liebe, dem Künstler Rudolfo zurückkehrt. Mit Si, mi chiamano Mimi ist die Puccini- mit Musetta svaria sulla bocca viva auch die rare Leoncavallo-Fassung vertreten. 

Schlussendlich besingen Charles Castronuovo als Alfred und Sonya Yoncheva als Violetta im Duett Parigi o cara des dritten Aktes von La traviata noch einmal hoffnungsvoll zukünftige gemeinsame Zeiten, ehe auch hier die „vom Wege abgekommene“ (so die Übersetzung von „traviata“) ein verklärendes Ende im Tod durch Krankheit und Ausgezehrtheit. Todtraurige Schicksale, denen man immer wieder bewegt zuhört. Sonya Yoncheva singt all diese Rollen mit lupenreinem Sopran, mit einer hervorragend geführten und vor allem schönen Stimme. Sie ist zurecht eine der führenden lyrisch-dramatischen Sopranistinnen unserer Zeit. Marco Armiliato ist dabei zuverlässiger Dirigier-Partner am Pult des Opernorchesters von Genua. Zwei Rollen auf der CD seien noch erwähnt, die die Sängerin wohl so nie auf der Bühne singen wird, die dennoch aber das Bild einer Frau zwischen körperlicher Verführung und geistiger Anziehungskraft, beides Attribute einer Kurtisane, vervollkommnen: Saint-Saen’s Mon coeur s’ouvre á ta voix aus Samson et Dalila und La trutina, die Sopran-Arie aus Carl Orffs Carmina Burana. Sinnlich verführerisch aber nie vulgär!

The Courtesan. Sonya Yoncheva. Orchestra dell’Opera Carlo Felice Genova. Marco Armiliato.
EAN3800600007839

 

 

 

 

 

 

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