Prominentes Vokal-Quartett
CD-KRITIK
27/08/10 El?na Garan?a, Anna Netrebko, René Pape und Rolando Villazón - alle waren zu Gast bei den sich zu Ende neigenden Festspielen - präsentieren sich auf Neuerscheinungen auch abseits von ihrem gewohnt herkömmlichen Repertoire.
Von Horst Reischenböck
Heuer kam sie endlich als bejubelte Julia in der Felsenreitschule an, im Vorjahr gab Anna Netrebko „nur“ einen Liederabend mit hierzulande wenig, wenn nicht gar überhaupt nicht geläufigen „Romanzen“, dem russischen Gegenstück zum deutschen Kunstlied: von Nikolai Rimski Korsakow und danach Pjotr Iljitsch Tschaikowsky.
Der Live-Mitschnitt entstand am 17. August 2009 im Großen Festspielhaus und lässt nochmals das damalige Faszinosum nachvollziehen - subtil, intim und zugleich spannungsreich gestaltet Netrebkos Sopran die Miniaturen zu klingenden Gemälden, zu kleinen dramatischen, melancholischen, in wenigen Momenten auch humorvollen Szenen. Anschmiegsam und aufmerksam assistiert Daniel Barenboims am Steinway.
Glücklich darf sich schätzen, wer noch das Programmheft aufgehoben hat, denn im Booklet der „In the Still of the Night“ betitelten CD sind die Texte ausgespart. Und der dort angegebene Download-Link funktioniert leider auch nicht.
El?na Garan?a sang heuer zu Festspielbeginn unter Barenboims Leitung im Te Deum von Anton Bruckner. Im März entstand mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale und dem Coro Filarmonico del Regio di Torino, dirigiert vom Gatten Karel Mark Chichon, ihr neuestes Album mit dem Titel „Habanera“. Mit einem Programm, das sie schon im Wiener Konzerthaus präsentierte und mit dem sie im Herbst weiter durch die Schweiz, Deutschland, Frankreich und Kroatien touren wird.
Nicht „bloß“ Carmen, deren Auftritte natürlich nicht fehlen: etwa eingebettet in die Séguedille im Duett mit Roberto Alagna. Das ist doppelt attraktiv auch insofern, als zum Schluss beide Versionen der Havanaise, die Bizet zunächst ganz anders komponierte, hintereinander verglichen werden dürfen! Daneben bieten Zarzuelas von Francisco Asenjo Barbieri, Ruperto Chapí, Manuel de Falla, Pablo Luna, Fernando Obradors und José Serrano Garan?a alle nur erdenklichen Möglichkeiten zur Demonstration ihres geschmeidigen Mezzo in einem gleichsam Concierto de „género chico“. Bis hin zu Maurice Ravels getrillerter „Vocalise-étude en forme de Habanera“. Und - man höre und staune - in diesem Zusammenhang sogar auch in Ausschnitten aus Werken von Michael Wilhelm Balfe sowie, temperamentvoll gesteigert, von Leonard Bernstein und Franz Lehár!
Rolando Villazón, dessen Liederabend heuer eine eher ernüchternde Begegnung mit dem stimmlich nach wie vor rekonvaleszenten Sänger war, hat sich abseits des gängigen Repertoires und grenzüberschreitend „¡México!“ nun seiner Heimat zugewandt.
Wer klassische Ohrwürmer wie „Bésame mucho“, „Cucurrucucú paloma“ oder zum Ausklang eine Medley aus „Cielito lindo“ und „mexico lindo y querido“ nebst anderem einmal anders und durchaus verträglich erleben möchte, ist damit opulent bedient. Die speziellen Arrangements sind von Efrain Oscher und es begleiten die Bolívar Soloists, und Gonzalo Grau nicht verkitscht.
René Pape, bei den Osterfestspielen 1990 Salzburg-Debütant und heuer zu Recht gefeierter Orest (den er schon 2002 an der Metropolitan Opera in New York sang) kombinierte bereits vor zwei Jahren seinen gefühltief ausdrucksstarken, erfreulich wortdeutlichen Bass für Götter, Könige und Dämonen in jeweils deren Original. Darin formidabel begleitet von Sebastian Weigle vor Staatsopernchor und Staatskapelle Dresden.
Beginnend mit einem Mephisto-Kleeblatt: zweimal aus Charles Gounods “Faust“, gefolgt von Arrigo Boitos Ballata und Hector Berlioz’ „Fausts Verdammnis“ (aus dem ein weiterer Ausschnitt allerdings leider nur im Download als Bonus Track angeboten wird) somit alle ihrer Facetten auskostend. König Philipp von Giuseppe Verdi, die Dapertutto-Arie aus Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, Wotan aus „Das Rheingold“ und Marke von Richard Wagner, als Raritäten die zwei Romanzen des „Dämon“ von Anton Rubinsteins gleichnamiger Oper sowie Vodnik aus Antonín Dvo?áks „Rusalka“. Alles bekrönendes, gleichwohl erschütterndes Finale: Abschied und Boris’ Tod in Modest Mussorgskys Urfassung von 1868/69. Absolut hörenswert!