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Ohrenschmeichlerische Fundstücke

CD-KRITIK / VIOLONCELLO UND ORGEL

29/07/22 Schon mal die Komponistennamen Oskar Wermann und Gustav Merkel gehört? Beide wirkten als Kirchenmusiker in Dresden. Wermann (1840-1906) hat es zum Kantor an der Kreuzkirche gebracht, wo sein Lehrer Merkel (1827-1885) Organist war). Beide haben hochromantische Stücke für Orgel und Violoncello hinterlassen.

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist eine überschaubare Menge an Noten, auf einer CD finden alle Werke der beiden für diese Besetzung Platz, außerdem noch das einzige Werk von Max Reger (1873-1916) für Violoncello und Orgel, eine Aria. Hannah Vinzens und Gordon Safari haben sich dieser so gut wie nie gespielten Musiken angenommen: Es sind durchwegs Ersteinspielungen. Die im Herbst vorigen Jahres erschienene CD ist für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert worden. Nun ist sie auch für den OPUS Klassik nominiert, und gleich in drei Kategorien: Instrumentalistin des Jahres, Solistische Einspielung, Innovatives Hörerlebnis.

Da kam also wohl die richtige Musik zur rechten Zeit – romantischer Orgelmusik galt ja über die Ära, da das Suchen und Wiederfinden barocker Klangideale hoch im Kurs stand, nicht gerade die Liebe der Organisten. Für Reger machte man eine Ausnahme, der stand immer hoch in Kurs. In den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten ist hierzulande nicht nur das Interesse an der französischen, „symphonisch“ auftrumpfenden Orgelromantik, von César Franck über Charles Marie Widor bis Leon Boellmann entschieden gewachsen. Es hat sich bis zu den Orgel-Denkmalschützern herumgesprochen, dass es sich auch lohnt, Orgeln des 19. Jahrhunderts zu bewahren und nicht durch pseudobarock disponierte neue Instrumente zu ersetzen. Und nach Kammermusik mit Orgel Ausschau zu halten – das ist eben auch im 19. Jahrhundert lohnend.

Auf dieser CD findet sich nicht wirklich spektakuläre, aber reizvolle und im Einzelnen überraschend erfindungsreiche Duo-Musik. Das ergiebigste der Stücke ist Oskar Wermanns Sonate in g-Moll op. 58. Angeblich die erste Sonate für Violoncello mit obligatem Orgelpart überhaupt. Das Werk, das man dem Tonfall nach irgendwo zwischen Mendelssohn, Schumann und Rheinberger verorten könnte, stellt in den schnellen Sätzen ans Cello ziemlich virtuose Ansprüche, aber das eigentlich Ansprechende an all den hier versammelten Stücken ist das gesangliche Element. Es sind samt und sonders feine Charakterstücke, Lieder ohne Worte.

Hannah Vinzens ist in Salzburg Cello-Stimmführerin in der Instrumentaltruppe von Gordon Safaris BachWerkVokal – da sind also zwei Musiker mit Sinn für historische Aufführungspraxis am Werk, und mit derselben Aufmerksamkeit wie für Bach widmen sie sich hier stilkundig und wachen Sinnes der deutschen Romantik. Sie drücken nicht auf die Tränendrüsen, auch wenn gar Schmeichlerisches in den Noten steht. Schlank artikulierend, kontrolliert und doch sinnlich im Ausdruck – zwei gute Anwälte für Musik, die weit unter ihrem Wert gehandelt wird. Cellisten, die nun drauf aufmerksam werden, müssen sich freilich noch gedulden: Die Stücke seien nicht greifbar, aber eine Notenedition vorgesehen, verrät man im Booklet.

Wermann, Merkel, Reger. Complete Works for Violoncello and Organ. Hannah Vinzens (Violoncello) und Gordon Safari (Organ). mdg Dabringhaus und Grimm – www.mdg.de
Bild: www.hannahvinzens.com

Die hier eingespielten Stücke sind morgen, Samstag (30.7.) in Salzburg live zu hören: um 20.30 Uhr in der Reihe Internationale Orgelkonzerte in der Franziskanerkirche.

 

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