So geht modernes Fagott
CD-KRITIK / FAGOTTKONZERTE
13/04/22 Sophie Dervaux und ihr Fagott: Das ist state of art. Man kann das gar nicht vergleichen mit den grummeligen Tönen, die man vor dreißig, vierzig Jahren mit diesem Instrument viel eher verbunden hat als Elegance.
Von Reinhard Kriechbaum
Es hat sich ja generell der technische Standard des Musizierens sagenhaft weiterentwickelt, und dessen wird man gerade dann gewahr, wenn's um Instrumente geht, die man nicht jeden Tag in solistischer Funktion hört. Die neue CD von Sophie Dervaux mit dem Mozarteumorchester mit Instrumentalkonzerten von Mozart, Hummel und Vanhal macht wieder einmal bewusst, wie eng doch das Repertoire im Konzertalltag geworden ist. Violin- und Klavierkonzerte (und davon eigentlich immer die gleichen) überwiegen bei weitem. Und wenn auch für Fagottisten das Mozart-Konzert B-Dur KV 191 ein gehütetes Heiligtum ist – wann ist's einem das letzte Mal wirklich im Konzertsaal untergekommen? (Die Klarinettisten sind mit ihrem Jenseits von Afrika-Konzert entschieden im Vorteil).
Die Kombination Mozart-Hummel-Vanhal schärft auch den Sinn für kompositorische Qualitätsunterschiede. Wie sich die Solistin und das Orchester gegenseitig die Mozart-Bälle zuwerfen, das ist wirklich viel-sagend. Sophie Dervaux pflegt einen schlanken Ton, perfekt ausgeglichen in den Lagen, von hoher Geschmeidigkeit. Da gibt es keine Floskel beispielsweise in den Geigen, auf die sie nicht mit vergleichbarer Geschmeidigkeit und Eloquenz pariert.
Sophie Dervaux ist seit 2015 Solofagottistin der Wiener Philharmoniker, zu vor war sie Solokontrafagottistin (ja wirklich, eine solche Position gibt’s!) bei den Berliner Philharmonikern. Sie steht also in der vordersten Reihe von ihresgleichen. Da wundert nicht der Ehrgeiz, dass sie sowohl in der Kammermusik als auch in der Konzertliteratur nach Vergessenem sucht.
Das Grand Concerto F-Dur von Johann Nepomuk Hummel halten die Fagottisten zwar seit je her hoch – aber ich entsinne mich in bald fünf Jahrzehnten als Musikkritiker keiner Live-Begegnung mit diesem melodisch attraktiven und im Detail effektvollen Stück. Das ist g'schmackige Vorzeige-Musik an der Kippe zwischen Wiener Klassik und Romantik.
Hummel war kein Mozart – und Johann Baptist Vanhal (1739-1813) schon gar nicht. Von dessen drei Fagottkonzerten ist hier das zweite in C-Dur überhaupt das erste Mal auf CD eingespielt. In diesem Stück lässt sich greifen, dass Vanhal damit einem Fagott-Virtuosen eine Freude machen wollte. Alle Achtung, was dem Instrument an Quirligkeit abverlangt wird im Eröffnungssatz. Das Orchester bleibt da eher im Hintergrund, wie überhaupt man über dieses Stück sagen muss: So lohnend es hinsichtlich der Solostimme ist, der Orchestersatz wirkt ein bisserl patschert. Das fällt vor allem im Schlusssatz auf, den das Orchester mit Pauken und Trompeten eröffnet, ohne dass Adäquates folgte. Aber Sophie Dervaux kann da natürlich alle Möglichkeiten ausschöpfen und sie brilliert einnehmend.
Fagottkonzerte von Mozart, Hummel und Vanhal. Sophie Dervaux (Fagott und Leitung), Mozarteumorchester Salzburg. Berlin Classics 0302341BC - www.berlin-classics-music.com
Sophie Dervaux wäre im Abo-Konzert des Mozarteumorchesters morgen Donnerstag (14.4.) als Solistin von Mozarts Fagottkonzert vorgesehen gewesen. Sie ist leider erkrankt, für sie springt Theo Plath ein – www.mozarteumorchester.at