Horn in G, F, Es, C – und das alles auf einmal!
CD-KRITIK / NATURHORN
10/03/22 Es gab nicht wenige „Wertkonservative“ unter den Hornisten, die im 19. Jahrhundert noch für ein paar Jahrzehnte ob der spezifischen Klangfarbe auf dem Naturhorn beharrten. Unverdrossen wechselten sie die Einsatz-Bögen je nach geforderter Tonart, obwohl das Ventilhorn schon erfunden war.
Von Reinhard Kriechbaum
Unter diesen Horn-Alttönern ihrer Epoche erwies sich der Pariser Louis-François Dauprat (1781-1868) als der Nachhaltigste. Seine Hornschule (Paris 1824) hat dazu geführt, dass sich in Frankreich das Naturhorn länger behauptet hat als anderswo. Sein Lehrwerk ist ein Kompendium des Spiels auf diesem Instrument – technische Anweisung genau so wie unschätzbare Quelle zu Stilfragen. Trotzdem: Außer Hornisten kennt heute keiner mehr den Namen Dauprat. Seine Kompositionen sind so gut wie unbekannt.
David Fliri ist ein Spezialist fürs Naturhorn, der sich Dauprats Musik vorgeknöpft hat und eine eine CD vorwiegend mit Ersteinspielungen vorlegte. In der Qualität sind das ganz unterschiedliche Stücke. Verbindend ist der immens hohe technische Anspruch. Dauprat hat sich in seinem Lehrwerk den besonderen Klangeigenschaften durch die unterschiedlichen Einsetz-Bögen gewidmet, und er entwickelte Methoden, durch das Einführen einer Hand in den Schalltrichter nicht nur den Ton zu modellieren, sondern sogar chromatische Tonschritte zustande zu bringen. Das nutzte er auch in seinen Kompositionen weidlich aus. Verzierungen in Form von Halbton-Umspielungen beispielsweise sind höchst ungewohnt am Horn und machen gehörig Effekt.
Die Sonate op. 2 ist ein Stück, das Louis-François Dauprat wohl für sich selbst geschrieben hat, so wie auch andere klavierbegleitete „Soli“. Langsame Einleitungen münden stets in höchst wirkkräftige raschere Teile. Mit solchen Salonstücken lässt sich gut auftrumpfen. Die Modulationen und verzierungstechnischen Winkelzüge nehmen viel eher für diese Musik ein als die Melodie-Erfindung. Der Tonsatz ist inferior. Da findet Wolfgang Brunner am Hammerflügel wenig lohnende Aufgaben.
David Fliri spielt auf einem Original-Horn von Lucien Joseph Raoux von 1817 – genau auf einem solchen spielte auch Louis-François Dauprat. Sein Instrument ist heute eines der besonderen Exponate im Conservatoire-Museums von Paris.
Dauprat hat gerne Hörner in verschiedenen Stimmungen gemeinsam ins Rennen geschickt. Es finden sich auf der CD Duette, extrem anspruchsvolle Übungsstücke für abgehärtete Naturhorn-Fetischisten. Unvoreingenommenen Zuhörer beginnt da eher der Magen zu grummeln. Aber dann gibt’s noch als ganz spezielle und wirklich tonschöne Kammermusik-Kostprobe drei Sätze aus dem Quartett op. 8. In einem Abschnitt spielt das erste Horn in G, das zweite in F, das dritte in Es und das tiefste in C – da mag man sich die Tonartenverwirrung in der Partitur gar nicht vorstellen! Was so aber gelingt: jeder Stimme ihr eigenes Timbre zu geben. Einnehmend, trotz viel melodisch Trivialem.
David Fliri assistieren Erik Košak (mit dem er sich auch durch die Duette kämpft), im Quartett weiters Markus Hauser und Gabriel Stiehle, beide Mitglieder des Mozarteumorchesters. Sie eint, dass sie alle zumindest eine Zeitlang am Salzburger Mozarteum studiert haben – und eben die Leidenschaft fürs Abartige. Auch als Nicht-Hornist kann man gut nachfühlen, wie exorbitant schwierig das alles ist.
Louis-François Dauprat: Music for Horn. David Fliri, Erik Košak, Markus Hauser, Gabriel Stiehle, (Naturhorn), Wolfgang Brunner (Hammerklavier). Brillant Classics 96480 – www.brilliantclassics.com
Im Rahmen der Konzertreihe „Klanghorizont Kirche“ in der Salzburger Christuskirche sind am kommenden Sonntag (13.3.) um 18 Uhr unter dem Titel „Musique francaise pour cor et piano“ Kostproben auch von dieser CD zu hören. Es spielen David Fliri und Wolfgang Brunner.