Ein Halb-Franzose in St. Petersburg
FEUILLETON / CD / CÉSAR CUI
01/03/18 Manche Komponisten kennt man ausschließlich aus Geschichtsbüchern. Vor wenigen Tagen – am 26. März – wäre des 100. Todestags von César Antonowitsch Cui (1835–1918) zu gedenken gewesen. Ein "Westler" im "Mächtigen Häuflein" von St. Petersburg, das auf eine russische Nationalmusik aus war.
Mili Balakirew, Alexander Borodin, César Cui, Modest Mussorgski und Nikolai Rimski-Korsakow hatten sich 1862 in Sankt Petersburg zusammengeschlossen. „Mogutschaja kutschka“, mächtiges Häuflein, nannte man sie bald oder auch „Gruppe der fünf“. Sie selbst bezeichneten sich als „Novatoren“, wollten auf der nationalrussischen Musik in der Nachfolge von Michail Glinka aufbauen. Tschaikowsky und Rachmaninow galten ihnen als feindbilder, weil vermeintlich zu westlich orientiert.
César Cui war der eigenbrötlerischste unter ihnen: Der Vater war Franzose, die Mutter Litauin – Cui selbst betonte, er „habe den Sinn für russische Musik nicht in meinen Adern“.
Tatsächlich orientierte er sich viel eher an Chopin und Schumann. Dass er, der sich auch als Kritiker und Musikschriftsteller betätigte, sich immer wieder heftig kritisierend gegen die anderen Mitglieder der Gruppe stellte, machte ihn denen verdächtig. Nicht nur den „Boris Godunow“ seines Kollegen Mussorgski hat er ordentlich verrissen. Und das Komponieren war für César Cui sowieso nur Nebenbeschäftigung. Im Hauptberuf hatte er die militärische Laufbahn eingeschlagen, war als Fachmann für Befestigungsbau Professor und Generalleutnant.
Eine bemerkenswerte Eleganz zeichnet seine musikalischen Miniaturen und seine Vokalwerke aus, eine geschmeidige Sprache, der auch das Triviale nicht fremd ist. Auf einer CD legt das Duo Maria Ivanova & Alexander Zagarinskiy Klaviertranskriptionen vor. Im Mittelpunkt: die zweite von vier Orchestersuiten, die der Komponist selbst für Klavier vierhändig bearbeitet hat. Dazu „Miniaturen“ op. 20 und 39.
Das Klavierduo Maria Ivanova – Alexander Zagarinskiy sieht in den Originaltranskriptionen symphonischer Werke aus Russland einen besonderen Schwerpunkt seiner Tätigkeit, insbesondere César Cui hat es dem Duo angetan: „Er war der am wenigsten russische Komponist des Mächtigen Häufleins und hat so in den Zeiten des kommunistischen Umbruchs Anfang des 20. Jahrhunderts nicht die Wertschätzung erfahren, die ihm eigentlich zusteht.“
Ab 1880 wandte sich Cui verstärkt französischen Opernstoffen zu und prägte mit seinen Schriften das französische Bild vom russischen Musikleben. Er schrieb 15 Opern, von denen sich keine in den Spielplänen gehalten hat, auch in Russland nicht. 1913 schrieb er eine Kantate zum 300-Jahre-Jubiläum der Zarendynastie Romanow – das war seiner Popularität nach der Revolution auch nicht gerade förderlich. In seinen letzten Lebensjahren war Cui blind, genoss aber als letzter Überlebender des „Mächtigen Häufleins“ Anerkennung als eine Art lebende Legende. (Hänssler/dpk-krie)