Mozart nörgelte an Clementi herum
CD-KRITIK / MOZARTEUMORCHESTER / IVOR BOLTON
21/04/17 Ivor Bolton widmete sich 2015 im Großen Saal des Mozarteums mit Mozarteumorchester für eine CD-Aufnahme einem seiner Herzensanliegen in Gestalt der vier bei uns so gut wie unbekannt gebliebenen letzten Sinfonien von Muzio Clementi.
Von Horst Reischenböck
Daran war nicht das abqualifizierende Verdikt durch seinen Zeitgenossen Mozart schuld, sondern der Umstand, dass Clementi selbst zu Lebzeiten lediglich zwei Vorgängerwerke publizierte. Diese vier Symphonien hingegen hat er selbst zwar immer wieder aufgeführt, jedoch feilte er an diesen Stücken und nahm Verbesserungen vor – sie blieben ein „work in progress“. Somit gerieten die zu Lebzeiten ungedruckten Symphonien nach Clementis Tod in Vergessenheit. Völlig zu Unrecht, stellen sie doch neben Werken von Kollegen wie Antonio Salieri oder Luigi Boccherini die eigentlich einzig wirklich gewichtigen sinfonischen Beiträge Italiens zu Zeiten der Wiener Klassik dar. Sie sind Werken des gleichaltrigen Joseph Haydn und selbst Beethovens durchaus ebenbürtig, was auch ihre kompositorische Progression bis zur mehr als bloß beeindruckend dramatischen D-Dur-Sinfonie WoO 35 spiegelt.
Die Clementi-Sinfonien sind eine Domäne des Philharmonia Orchestra London geblieben, nachdem die ersten beiden von Alfredo Casella wieder entdeckt wurden und Pietro Spada dann alle vier Sinfonien vorlegte. Das Interesse in Großbritannien kommt nicht von ungefähr, trägt doch die Sinfonie Nr. 3 dank des Zitats der britischen Hymne in dreien ihrer Sätze den Beinamen „The great National“.
Zusätzlicher Ansporn also für den Engländer Ivor Bolton, dem mit dem blendend disponierten Mozarteumorchester eine fulminante Darstellung gelang. Nur schade, dass es damals nicht zu einer konzertanten Aufführung reichte – die „Konserve“, damit mehr als bloße Bereicherung des Repertoires, entschädigt hingegen allemal!