Auftrag. Ein Auftrag. Mein Auftrag. Frost.
THOMAS BERNHARD / 50 JAHRE FROST / LESUNGEN
13/02/13 „Es ist ein Fehler, mit Menschen zu rechnen. Es ist ein großer Fehler, mit irgendwelchen Menschen zu rechnen. Immer habe ich diesen fürchterlichsten aller Fehler gemacht, immer habe ich mit Menschen gerechnet.“ - Mit Menschen rechnen dennoch zwei Veranstaltungen zu Thomas Bernhards Erstlingsroman "Frost".
Von Heidemarie Klabacher
Der Ich-Erzähler in Thomas Bernhards Roman „Frost“ hat den Auftrag, den Maler Strauch zu beobachten. Der junge Famulus erträgt die Ausbrüche des Malers irgendwann nicht länger und läuft „hinunter und aus dem Haus“. Losgeworden ist er ihn dennoch nicht, den Künstler mit seiner schwarzen Verzweiflung. Schier unausweichlich entwickelt sich der Sog Richtung Abgrund: „Ich hatte das Gefühl, als hätte mich der Maler, als hätte mich Strauch, als hätte mich dieser Mensch schon in seiner Gewalt. ... Ich empfand eine plötzliche Kerkerhaft. Aber auch diese Vorstellung ist eine Vorstellung des Malers.“
Vor fünfzig Jahren, 1963, ist Thomas Bernhards erster Roman - „Frost“ - im Insel Verlag erschienen. Die Welt ist erstarrt, angesichts der eiseskalten seelischen Abgründe in diesem Text - und seither nicht wieder aufgetaut: Wer „Frost“ liest, stellt sich auch heute noch den „Schrecken des Eises und der Finsternis“ der Seele.
Mit dem Roman „Frost“ gelang Thomas Bernhard 1963 der Durchbruch. Er wurde schlagartig berühmt - schlagartig angegriffen. Zuvor war er nur Insidern als Lyriker bekannt. Seinen Roman hat der junge Bernhard mit großen Prosaskizzen vorbereitet. Das wissen die Literaturwissenschaflter inzwischen aus dem Nachlass. Und darüber ist heute Mittwoch (13.2.) von zwei der namhaftesten Bernhard-Experten mehr zu erfahren: Das Literaturhaus Salzburg erinnert rund um Bernhards Geburts- und Todestag zusammen mit der Internationalen Thomas Bernhard-Gesellschaft an das Erscheinen des Debütromans. Manfred Mittermayer, der Leiter des Literaturarchivs Salzburg, spricht mit Martin Huber, dem Herausgeber des Bandes „Frost“ in der Werkausgabe des Suhrkamp Verlages und dem Leiter des Thomas-Bernhard-Archivs in Gmunden, über die Entstehungsgeschichte des Romans, seine Stellung im Werk Thomas Bernhards und seine Bedeutung für die Literatur „seit Bernhard“.
Vor allem aber liest Schauspieler Andreas Patton! Seine szenische Lesung von „Frost“ in der Regie von Sabine Mitteregger ist 2010 mit dem „Nestroy“ für die beste Off-Theaterproduktion ausgezeichnet worden. Im Literaturhaus wird nach dem Gespräch die Gesamtproduktion aufgeführt. Mit etwa eineinhalb Stunden Lesungsdauer sei zu rechnen, erklärte Manfred Mittermayer auf Nachfrage von DrehPunktKultur.
Eine zweite „Frost“ Lesung gibt es im Mai in Goldegg - und die wird deutlich länger ausfallen: Von 17. bis 19. Mail lesen Ben Becker, Andreas Maier, Birgit Minichmayr, Tobias Moretti, Martin Schwab und Martin Wuttke den „ganzen Frost“. Diese „Ganz-Lesung“ wird von dem von Sepp Schellhorn initiierten Festival „Verstörungen“ und der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft veranstaltet.
„Schauplatz des Romans ist ein fiktiver Ort namens Weng. Der reale Ort Weng ist ein Ortsteil von Goldegg“, erinnern die Veranstalter. 1968 habe Weng „vehement gegen die Verleihung des Österreichischen Staatspreises an den Autor Thomas Bernhard protestiert“: Durch seine Darstellung ihres Ortes im Roman Frost habe er der Gemeinde sehr geschadet, vor allem dem Tourismus… Man scheint Abbitte leisten zu wollen.
"Tatsächlich erschreckt mich diese Gegend, noch mehr die Ortschaft, die von ganz kleinen ausgewachsenen Menschen bevölkert ist, die man ruhig schwachsinnig nennen kann. Nicht größer als ein Meter vierzig im Durchschnitt, torkeln sie zwischen Mauerritzen unbd Gängen, im Rausch erzeugt. Sie scheinen typisch zu sein für das Tal. ... Es ist eine Landschaft, die, weil von solcher Häßlichkeit, Charakter hat..." Damals wusste man mit den Übertreibungen eines Bernhard eben noch nicht umzugehen.
„Die einzig aktuelle Form sich mit dem Roman auseinanderzusetzen, ist es, ihn 16 Stunden 22 Minuten auf sich wirken zu lassen“, sagte Raimund Fellinger vom Vorstand der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft bei der Präsentation des Projektes. Gelesen wird im Schloss Goldegg, im Seehof und im „Bierfrührer“. „Wegweiser“ durch den Roman in Form von Inhaltsangaben sollen auch einen stundenweisen Besuch der Lesung ermöglichen.
Hauptfigur von „Frost“ ist ein Maler, der Maler Strauch. Daher gibt es parallel zur "Ganz-Lesung" auch eine Ausstellung: Albert Oehlen werde ein Werkauswahl unter dem Titel "Acht Versuche, Thomas Bernhard aus dem Gedächtnis zu portraitieren" präsentieren und die Ausstellung am 17. Mai im Schloß Goldegg selber eröffnen: „Wir stellen vor dem MAK Albert Oehlen aus“, so Raimund Fellinger.