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Der Dichter und sein Vertrauter

IM WORTLAUT / GEORG TRAKL-FORSCHUNGS UND GEDENKSTÄTTE (1)

12/04/23 Vor fünfzig Jahren bekam Hans Weichselbaum als soeben „fertig“ gewordener Germanist den Auftrag, eine Trakl-Gedenkstätte zu gestalten. Eröffnet wurde am 10. April 1973. Hans Weichselbaum skizziert im Rahmen des Festaktes am Donnerstag 13. April die Rezeption Georg Trakls und die Entstehung einer singulären Institution. - Hier der Text im Wortlaut.

Von Hans Weichselbaum

Zur Geschichte der Georg-Trakl-Forschungs- und Gedenkstätte

Als im August 1909 das frisch vermählte Ehepaar Hermann Bahr und Anna Mildenburg am Abend mit den Trauzeugen Erhard Buschbeck aus Salzburg und Franz-Josef Ostermayer aus Wien im Peterskeller zu einer Nachfeier beisammen saßen, richtete Hermann Bahr an Buschbeck die Frage, wer denn seiner Meinung nach der größte Salzburger Dichter sei. Buschbeck lag schon der Name seines Freundes Georg Trakl auf den Lippen, er hielt ihn aber zurück in der Annahme, dass solche Fragen immer nach Toten gerichtet sind und nicht nach unbekannten Lebenden. Buschbeck bereute diese Zurückhaltung im Nachhinein und schickte kurze Zeit später Bahr einen Brief, in dem er ihm Trakl als einen feinfühlenden Menschen nannte, für den es höchste Zeit wäre, dass er aus unfruchtbarer Verbitterung gerissen würde. Er legte dem Brief acht Gedichte aus einer frühen Sammlung Trakls bei (heute bekannt unter der Bezeichnung „Sammlung 1909“) und bat Hermann Bahr, vielleicht eines davon in einem Wiener Blatt unterzubringen, um Trakls Selbstbewußtsein wieder zu heben.

Bahr fand die Gedichte wirklich sehr sehr schön und brachte drei davon im „Neuen Wiener Journal“ unter, wo er Theaterkritiker war. Bahr setzte sich des Weiteren nicht sonderlich für Trakl (1887-1914) ein, stellte aber 1917 bei einem Spaziergang mit Buschbeck über Trakl fest: „Nun ist er tot und ist unsterblich. Aber wie Hölderlin eben jetzt erst von dieser jüngsten deutschen Jugend ganz erlebt wird, rauschen vielleicht noch hundert Jahre hin, um das Geschlecht zu zeitigen, das erst rein erfühlen wird, was Trakl war.“

Hermann Bahr konnte damals noch nicht wissen, dass Trakl auch ein Gedicht auf Hölderlin geschrieben hat.Ist aber die Wertschätzung von Trakls Dichtung in einem vergleichbaren Ausmaß gestiegen? Vergleiche sind häufig ungerecht und der Zeitgeist ist ein unstetes wandelbares Wesen. Unübersehbar ist jedoch, dass der Stellenwert von Trakls Dichtung in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts unbestritten ist und er schon lange zum Dichter-Kanon gehört. Deutlich wird das an verschiedenen Faktoren.

1918 erschien die erste Gesamtausgabe: In dieser Form ist Trakl dann zunächst auch bekannt geworden. 1917 gab es bereits die ersten Übersetzungen ins Tschechische (fünfzig Gedichte; letztes Jahr kam eine umfangreichere Übersetzung in dieser Sprache heraus). Mittlerweile gibt es mehr als dreißig Übersetzungen, auch ins Ukrainische. Bald beschäftigten sich Komponisten wie Anton Webern oder Paul Hindemith mit Gedichten Trakls. Über 130 Komponisten haben sich seither mit Person und Werk Trakls auseinandergesetzt, unter ihnen nicht wenige aus Salzburg, auch als „Salzburger Kreis“ bezeichnet. Zu ihnen gehört Klemens Vereno, von dem schon mehrere Trakl-Vertonungen zu hören gewesen sind, etwa beim 100. Todestag 2014. (Im Rahmen des aktuellen Festaktes erklingen Verenos neueste Kompositionen zu „Nachtliedern“ von Georg Trakl und ein Triptychon zu einem Gedicht von Christine Lavant, die zweimal den Trakl-Preis erhalten hat.) Die bildhafte Sprache Trakls regte Graphiker und Maler zur Beschäftigung mit seinen Texten an. Am bekanntesten wurde wohl Alfred Kubin. Der bisher zweimal vergebene Trakl-Preis für Bildende Kunst sollte diesen Aspekt der Rezeption deutlich machen.

In Trakls Geburtsstadt geschah einiges, was dazu beigetragen hat, den Namen des Dichters nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: 1938 erwarb der junge Salzburger Verleger Otto Müller die Verlagsrechte vom Leipziger Kurt Wolff Verlag. Erhard Buschbeck ergänzte die Ausgabe mit Trakls Jugenddichtungen, in deren Besitz er seit 1909 war. Titel: „Aus goldenem Kelch“. Der ältesten Schwester Trakls, Frau Maria Geipel, schlug er vor, zum 50. Geburtstag des Dichters (1937) am ehemaligen Wohnhaus der Familie am Mozartplatz eine Gedenktafel anzubringen. Erst 15 Jahre später konnte dieser Vorschlag verwirklicht werden. Der besondere Wert von Trakls Dichtung wurde 1952 durch die Stiftung eines Trakl-Preises für zeitgenössische Lyrik durch das Land Salzburg (mit Unterstützung des Bundes) verdeutlicht. Er wird bis heute zu runden Geburts- und Todestagen vergeben, das nächste Mal 2024 zum 110. Todestag.

Zum 70. Geburtstag Trakls 1957 schuf der Bildhauer Toni Schneider-Manzell, angeblich im Auftrag von LH Dr. Josef Klaus, einen Brunnen, der bis heute in einem Hof der Kapitelgebäude ein etwas einsames Dasein fristet. Vielleicht findet sich bald ein geeigneterer Ort. Frau Geipel hatte noch eine Wohnung in dem Haus am Mozartplatz und es war daran gedacht, darin später eine Gedenkstätte an den Dichter einzurichten. Ein Sanierungsbescheid an den Hausbesitzer vereitelte aber diese Pläne.

Es war daher ein glückliche Fügung, dass der hintere Teil des gegenüber liegenden Hauses zur Salzach hin (heute Waagplatz 1a) vom Land Salzburg für die Unterbringung verschiedener kultureller Einrichtungen erworben wurde, die aus den Räumen der alten Residenz weichen mussten. Hier konnte im 1. Stock der Plan einer Gedenkstätte an den Dichter in der Wohnung verwirklicht werden, die von der Familie acht Jahre lang gemietet worden war (1885-1893). Georg Trakl wurde darin am 3. Februar 1887 geboren. Dass eine Gedenkstätte so eng mit der Biographie eines Künstlers verbunden ist, kann man als Glücksfall bezeichnen; nicht immer ist das möglich.

Ein großer und zwei kleine Räume waren zunächst für das kleine Museum vorgesehen. Die Betreuung wurde der Salzburger Kulturvereinigung übertragen, die daneben ihr neues Büro hatte. Eine Motivation, diese Aufgabe zu übernehmen, war für den damaligen Leiter, Dr. Heinz Klier, auch die Tatsache, dass sein Vater zusammen mit Trakl im 1. Weltkrieg an der österreichisch-russischen Front in Galizien war. In einer Salzburger Zeitung hatte er einen Bericht darüber geschrieben.

Da ich schon im literarisch Betrieb tätig war (ich organisierte seit 1970 das Literaturforum „Die Leselampe“) und das Germanistik-Studium eben mit einer Arbeit über den expressionistischen Schriftsteller Carl Sternheim vorläufig abgeschlossen hatte, wurde mir in Absprache mit dem Land im Herbst 1972 die Aufgabe übertragen, die Gedenkstätte (damals noch „des Landes Salzburg“) auszugestalten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Dissertation über Georg Trakl schrieb ich später.

Welches Material stand mir am Anfang zur Verfügung? Üppig war es nicht gerade: einige Vitrinen aus dem (damaligen) Museum Carolino Augusteum, Schautafeln einer älteren Trakl-Ausstellung des Unterrichtsministeriums, Trakl-Dokumente des Kulturbeamten Gustav Pichler, der als Präsident der Raimund-Gesellschaft solche schon gesammelt hatte, und Materialien aus dem Nachlass von Frau Maria Geipel, die sie für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte. Sie war bei der Eröffnung der Gedenkstätte am 10. April 1973 noch dabei, starb aber neunzigjährig im Herbst desselben Jahres. Offiziell eröffnet wurde das kleine Museum vom damaligen LH Hans Lechner in Anwesenheit von Vertretern der drei Landtagsparteien. Als Festredner kam der junge Germanist Alfred Doppler aus Innsbruck. Er sprach über das „Dichterische Bild als historisches Abbild“. Professor Doppler blieb in den folgenden Jahrzehnten der Dichtung Georg Trakls und dieser Einrichtung eng verbunden.

Die Gedenkstätte war (und ist) nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Zu sehen gab es (und gibt es) biographische Zeugnisse des Dichters, Fotos der Familienmitglieder, Handschriften, Typoskripte, Trakls Selbstporträt , eine Leihgabe des Landes, eine Porträtbüste und manches mehr.

Ich begann mit dem Aufbau einer Bibliothek, sammelte verschiedene Trakl-Ausgaben, Literatur über den Dichter – sowohl Bücher als auch Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften – Dokumente literarischer Einflüsse auf Trakl und Reaktionen späterer Autoren und Autorinnen auf seine Dichtung. In einem Band mit dem Titel „Trakl-Echo“ konnte ich 150 Gedichte (!) aus den letzten hundert Jahren versammeln. In der Bibliothek ist auch einiges Notenmaterial mit Trakl-Vertonungen zu finden, ebenso Literatur der Trakl-Preisträger. Die Besucher sind hauptsächlich Einzelpersonen, die sich für die Person und Dichtung Trakls interessieren, manche, die selber schreiben, literarische Vereinigungen und Gruppen von Schülern und Schülerinnen aus Salzburg, Oberösterreich, Wien, Graz und Bayern, besondere Gäste wie Politiker, darunter zwei Bundespräsidenten und die Landeshauptmänner Haslauer jun. und sen, aber auch Künstler, wie der Dirigent Theodor Currentzis, ein Liebhaber von Trakls Lyrik. (Wird fortgesetzt)

Einen umfassenden Einblick bietet die Website der bei der Kulturvereinigung im „Trakl-Haus“ beheimateten Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte – www.kulturvereinigung.com
Bilder: Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

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