Tanz auf dem Vulkan und Physiker im Zug
LITERATURHAUS / LESUNG TERÉZIA MORA
18/12/19 „Ein ganz faszinierender Greis“, sagt die ungarisch-deutsche Autorin und Georg-Büchner-Preisträgerin Autorin Terézia Mora, sei ihr Romanheld Darius Kopp: Im September erschien mit Auf dem Seil der letzte Teil ihrer Romantriologie über den verlorenen IT-Spezialisten, der sich am Ende doch glücklich nennen darf.
Von Christina Mayr
„Ausgerechnet Italien und dann auch noch Sizilien! In keinem anderen Land hätte man sich Terézia Moras urdeutschen, übergewichtigen, dauerschwitzenden Computer-Nerd Darius Kopp weniger vorstellen können als dort, zwischen goethianischen Olivenhainen, Zitronenbäumen, Tempeln und Amphitheatern“, hieß es beim Deutschlandfunk Kultur über „Moras weit ausgreifende Roman-Trilogie, die mit Der einzige Mann auf dem Kontinent vor zehn Jahren ihren Auftakt nahm und mit dem buchpreisgekrönten Mittelteil Das Ungeheuer 2013 weiterging, hat es tatsächlich auf die größte Insel Europas geschafft.“
Als Meisterin des Erzählens schilderte Terézia Mora jüngst im Literaturhaus Szenen aus ihrem eigenen Leben und berichtete, wie bereits während der Arbeit am Erzählband Seltsame Materie die ersten Ideen zur literarischen Figur des Darius Kopp auftauchten - der sie daraufhin die nächsten zwanzig Jahre begleiten sollte. Im Laufe des Schreibens habe sich, so Mora, allerdings Grundlegendes verändert und die Romantriologie sei „im Grunde eine Mentalitätsgeschichte geworden“. Darius Kopps wandelte sich vom vom alltags-untauglichen „einzigen Mann auf dem Kontinent“ zu einem glücklichen Mensch, der sich in einer prekären Lage zu helfen wisse. Nebenbei schilderte Terézia Mora farbenfrohe Geschehnisse aus eigenen Leben, etwa dem Familienurlaub in Sizilien (wo die Triologie endet) oder unerwartete Abenteuer im Reisebüro von nebenan. Sogar die Zugfahrt nach Salzburg gestaltete sich der Autorin unerwartet zur kleinen Abenteuerreise, denn sie traf dabei auf eine Gruppe Physiker... Mit Hingabe entwirft Terézia Mora daraus dem Stegreif eine fesselnde kleine Geschichte, macht deutlich, woher die Ideen für ihr dichterisches Schaffen kommen – und gibt damit Einblicke in ihre literarische Arbeitsweise. Neben literarischen Inspirationen (etwa Hans Falladas Roman Kleiner Mann, was nun) verwebe sie, so die Autorin, auch persönliche Erlebnisse und lehne auch so manche Figuren an Vorbilder aus dem realen Leben an.
Terézia Mora ist eine Meisterin der Erzählkunst in bildhafter Sprache. Auch ihre Antworten auf die Fragen von Christa Gürtler nach der Lesung im Literaturhaus bildeten selbst oft kurze Erzählungen. Das Publikum hatte durchaus Gelegenheit, ungarische Sprichwörter mit Elefanten kennenzulernen. Auf keinen Fall wolle sie, so Terézia Mora, „fertige“ Geschichten erzählen. Die Triologie über Darius Kopp wird eine solche bleiben: „Das Ende soll vor dem richtigen Ende sein.“
Terézia Mora wurde 1971 in Sopron in Ungarn geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Ihr literarisches Debüt, der Erzählungsband Seltsame Materie, wurde mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, ihr Roman Das Ungeheuer 2013 mit dem Deutschen Buchpreis. 2018 erhielt sie den Georg-Büchner-Preis für ihr Gesamtwerk. Terézia Mora ist eine der renommiertesten Übersetzerinnen aus dem Ungarischen.