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Blauer Dunst

LESEPROBE / RAUCHENDE KÖPFE

18/10/13 Abt Michael vom Stift Geras tut es, ebenso der Ex-Bundesheer-General Edmund Entacher und auch die Filmemacherin Barbara Albert. Der Schauspieler Wolfgang Böck frönt ebenso dem Laster Zigarette wie der Kabarettist Josef Hader oder die Schriftstellerin Renate Welsh. Und – sehr trostreich – auch Cornelia Stix, und die ist Zigarettenfabrikantin. – Da löcken also vierzig mehr oder weniger prominente Leute gegen den Zeitgeist, indem sie Elogen auf ihren lustvoll ausgelebten Hang zum blauen Dunst singen. Und die aussagekräftigen Bilder von Johannes Tichy beweisen: Viele der „Rauchenden Köpfe“ (so heißt das im Verlag Anton Pustet erschienene Buch) schauen nicht nur alt aus, sondern sind’s auch wirklich. Also von wegen „Rauchen kann ihre Gesundheit gefährden…“ - Eine Leseprobe.

068Von Felix Mitterer

Ich muss ja sagen, ich bin in den Fünfzigerjahren in verrauchten Stuben aufgewachsen. In Bauernstuben, und da haben alle geraucht, alle. Mein Adoptivvater Pfeife, wenn er Zeit hatte, er war ja Bauernknecht. Damit hat sich das Rauchen eher aufs Wochenende verschoben. Am Sonntag eine Virginia, diese langen, dünnen Zigarren mit dem Strohhalm. Am Sonntagnachmittag wurde Karten gespielt, da ist meine Erinnerung, dass ich auf der Ofenbank liege, die Männer sitzen rauchend, murmelnd und spielend am Tisch, die Fliegen schwirren herum. Das ist für mich eine sehr schöne, heimelige Erinnerung. Frauen haben damals natürlich nicht geraucht, obwohl es noch ein paar alte Bäuerinnen gegeben hat, die Pfeife geraucht haben.

Als ich 15 war, habe ich im Sommer in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet, um etwas Geld zu verdienen. Dort gab es Zigaretten zu kaufen, und am meisten hat mich eine Sorte begeistert, die Simon Arzt geheißen hat. Ein absurder Name, aber die Zigaretten waren in einer sehr edel aussehenden Packung und hatten einen Filter aus echtem Kork, wunderschön anzusehen. Leider muss ich sagen, habe ich dann mehrere Packungen Simon Arzt gestohlen, offenbar hat das Geld nicht gereicht, um sie mir zu kaufen. Das hat mir ein furchtbar schlechtes Gewissen verursacht, und sie sind mir auch draufgekommen. Die Geschäftsbesitzerin hat das aber nicht meinen Eltern erzählt, weil sie wusste, dass meine Adoptivmutter eine unglaublich rabiate Person war. Sie hat immer gesagt, wenn sie mich beim Stehlen erwischt, hackt sie mir die Hand ab. Ich war den Leuten sehr dankbar, dass sie mich nicht gemeldet haben, und hab das natürlich auch nicht mehr getan.

Nachdem ich nicht öffentlich rauchen konnte, war der Vorgang dann wie folgt: Ich bin in der Nacht aus dem Schlafzimmer ausgestiegen. Da war ein Fliegengitter, das ich zuerst mit dem Schraubenzieher entfernen musste. Dann bin ich hinaus, ganz leise, weil meine Mutter keinen besonders guten Schlaf hatte, bin in den Wald gegangen, hab dort das versteckte Plastiksackerl mit den Simon-Arzt-Zigaretten ausgegraben, eine geraucht, dann wieder eingestiegen.

Man kann mich zu dem Zeitpunkt natürlich nicht als Raucher bezeichnen, aber für mich war das ein großes Erlebnis. Ich kann mich erinnern, dass mir die ersten Züge einen ganz wunderbaren Schwindel verursacht haben. Es hielt sich aber noch sehr in Grenzen. Mit 16, 17 wollte ich nach England auswandern und bin vor Schulbeginn abgehauen. War dann einen Monat per Autostopp auf Umwegen unterwegs, über Hamburg nach Holland. Ohne Ausweis, weil ich keinen hatte. In Rotterdam hat mich die Polizei dann festgenommen – ich war schon sehr als Ausreißer erkennbar – und ins Ausländergefängnis gesteckt, weil meine Identität nicht festgestellt werden konnte. Ich hab mich natürlich sehr gefürchtet, weil da so abenteuerlich und fremdländisch aussehende Seeleute waren, und bin dann eher in meiner Einzelzelle geblieben. Die Wächter waren unglaublich reizend zu mir, sie haben mir filterlose holländische Zigaretten und deutschsprachige Bücher gebracht. Frauen­Romane, Hedwig Courths-Mahler und Ähnliches.

Irgendwann hab ich mir gedacht, es bringt mir auch nichts, wenn ich ihnen nicht sage, wer ich bin. Der Botschafter hat mir dann einen Platz in einem Kakao­Laster besorgt, der nach Salzburg gefahren ist, und einen provisorischen Pass gegeben, und das war das Ende der Auswanderungspläne.

Dann bin ich endgültig aus der Schule geflogen und als Mittelschüler, der nichts gelernt hat, über einen Bekannten zum Zollamt nach Innsbruck, um mir mein Geld zu verdienen. Dort hab ich wirklich zu rauchen begonnen, weil es im Büro fast alle betrieben haben. Gitanes, weil mir das ganz toll vorgekommen ist.

067Diese Unart, eine nach der anderen zu rauchen, ist durch das Schreiben gekommen, das ist mir bis heute geblieben. Wenn einem nichts einfällt, man rastlos herumgeht und nachdenkt, raucht man viel. Und ich hab, bis ich 1995 nach Irland ging, alles mit der Hand geschrieben, wobei man auch besser rauchen kann als am Computer.

Eigentlich muss man mich als Kettenraucher bezeichnen, was mir selber nicht wirklich Spaß macht, aber es ist halt so. Ich hab nie versucht aufzuhören, nur der Familie versprochen, mich einzuschränken, was ich aber auch nicht getan habe.

Natürlich ist ein raucherfülltes Zimmer auch ein Problem. Da ist man dann immer froh, wenn es Sommer ist, weil man die Fenster auftun kann. In Irland waren wir in einem alten Haus und alte Häuser vertragen Rauch ja sehr, sehr gut mit ihren dicken Mauern und hohen Räumen. Meine Tochter Anna hat mir diese blöden Filter von David Ross aufgedrängt, weil sie natürlich immer Angst hat, dass ich Lungenkrebs kriege und vorzeitig sterbe. Die filtern 60 Prozent Teer raus, das ist nicht schlecht, und ich huste – obwohl Kettenraucher – bis heute nicht. Irgendwie wurde mir, Gott sei Dank, eine gute Gesundheit mitgegeben.

Irland 2004: Das war das erste Land Europas mit Rauchverbot. Wir haben’s ja alle nicht fassen ?können, weil zum Pub-Besuch gehört das Rauchen unbedingt dazu. Da hat uns dieser irische Gesundheitsminister, der immer nach Amerika gefahren ist, komplett überrascht. Um das Gesundheitssystem an sich hat er sich leider nicht gekümmert, das ist bis heute miserabel. Das Argument war, nicht die Raucher, sondern das Bedienungspersonal zu schützen. Natürlich gab es Pub-Wirte, die sagten, mich braucht man nicht zu schützen, die haben sich demonstrativ mit den Gästen rauchend in der Zeitung abbilden lassen. Das hatte Geldstrafen von 3.000 Euro für Wirt und Gäste zur Folge. Dann wurden Spione von der Krankenkasse ausgeschickt, die Meldung erstatteten, wo geraucht wurde, und die Strafen haben dazu geführt, dass es aufgehört hat. Natürlich hat man alles Mögliche versucht, das zu hintergehen, aber vergebens. Man durfte in den Lokalen nicht rauchen und auf der Straße keinen Alkohol trinken. Wenn man also rauchen wollte, musste das Bierglas drinnenbleiben. Es hat dann die Billigflüge nach Edinburgh gegeben, da sind die Iren am Wochenende in die schottischen Pubs geflogen, um dort rauchen zu können. Das hat sich aber auch aufgehört.

Österreich ist als einziges Land übrig geblieben, wo man in Lokalen noch rauchen kann. Darüber bin ich sehr froh. In Südtirol, wo ich mich ja öfters aufhalte, wird vom Staat erwogen, das Rauchen auch auf der Straße zu verbieten. Es ist ungemütlich geworden und überhaupt nicht lustig. Ich will ja überhaupt keine Propaganda für das Rauchen machen, aber ich bin eben noch einer aus der Generation, wo es zu unserer Kultur gehört hat. Es ist natürlich auch so, egal, in welchem Land auf der Welt man draußen steht und raucht, dort sind halt oft die interessanteren Menschen. Das ist leider so.

Georg Thiel,  Johannes Tichy: Rauchende Köpfe. 40 Porträts. 192 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2013. € 29.- www.pustet.at
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet

 

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